Nach einer ungewohnten einwöchigen Spielpause kehrt bei den Albatrossen wieder der übliche Wahnsinn dieser Saison ein. Nicht einmal 48 Stunden nach dem EuroLeague-Spiel gegen Panathinaikos steht am Sonntag um 18 Uhr das Bundesliga-Spitzenspiel gegen die HAKRO Merlins Crailsheim auf dem Programm. Direkt danach, am Montag, macht sich die ALBA-Mannschaft wieder auf die Reise und kommt für eine ganze Woche nicht zurück nach Berlin. Auf dem langen Auswärtstrip stehen zwei Spiele in Russland gegen St. Petersburg und Khimki Moskau und ein BBL-Spiel in Ulm auf dem Plan.

Im Hinspiel überraschte ALBA das Überraschungsteam

Die Crailsheimer waren bereits im Vorjahr die große Überraschung in der easyCredit BBL. Aber mit dem Wechsel nahezu alle Leistungsträger zu Bundesliga-Konkurrenten oder ins Ausland schien die in einer vierteiligen Video-Dokumentation („Pure Magic“) festgehaltene Cinderella-Story im Sommer ihr Ende gefunden zu haben. Doch Erfolgstrainer Tuomas Iisalo verlängerte in Crailsheim und dem von seinem Bruder an der Seitenlinie unterstützten Finnen gelang das Kunststück, wie im Vorjahr aus eher unbekannten Namen ein neues schlagkräftigeres Team zusammenzustellen.

Mit 16:3 Siegen sind die neuen Merlins nach 19 Spieltagen als Tabellenzweiter sogar noch erfolgreicher als in der vergangenen Saison, wo im gleichen Zeitraum schon drei Siege weniger (13:6) genügt hatten, um als damals Vierter für Aufsehen in der Liga zu sorgen. Entsprechend unvermittelt traf die Merlins vor drei Wochen auf dem Höhepunkt der Euphoriewelle die deutliche 77:101-Heimniederlage gegen ALBA wie ein Blitz. Im Rückspiel brennen die ernüchterten Merlins jetzt sicher doppelt auf Revanche. Außerdem geht es am Sonntag natürlich um den zweiten Tabellenplatz.

Kanadier Trae Bell-Haynes spielt eine sensationelle Saison

Geprägt wird das schnelle Crailsheimer Spiel von vielen Pick&Roll-Varianten und Pass-Stafetten, an deren Ende einer der vielen Dreierschützen offen ist. Dabei kommt es Trainer Iisalo nicht nur auf schnelle Beine seiner Spieler, sondern auch auf schnelle Entscheidungen im Kopf an. Das Erfolgsgeheimnis des Finnen ist dabei, dass er erneut mit gutem Gespür die passenden Akteure für diese Spielweise in Ligen gefunden hat, die andere nicht so sehr auf dem Zettel haben. Das beste Beispiel dafür ist die Verpflichtung des Spielmachers Trae Bell-Haynes.

Der Kanadier, der bereits vor zwei Jahren für Frankfurt in der BBL spielte, ohne dabei für große Schlagzeilen zu sorgen, spielte in der vergangenen Saison für die Helsinki Seagulls, die eine ähnliche Spielweise pflegen wie die Merlins. Dieser Umstand sowie die Erfahrung aus seiner Frankfurter Zeit half Bell-Haynes, im Crailsheimer Trikot aus dem Stand eine sensationelle BBL-Saison hinzulegen. Der kanadische Nationalspieler führt nicht nur die Assist-Wertung der easyCredit BBL an, sondern hat sich auch als zweitbester Scorer der Liga in den Kreis der MVP-Kandidaten gespielt.

Maurice Stuckey und Elias Lasisi werfen Dreier in Serie

Neben dem zweiten US-Spielmacher Nimrod Hilliard bieten sich im Backcourt eine ganze Reihe gefährlicher Dreierschützen als Adressaten für die Pässe von Bell-Haynes an. Der eifrigste Distanzschütze ist dabei der im Sommer aus Göttingen zu den Merlins gewechselte Elias Lasisi. Der belgische Nationalspieler nimmt pro Spiel fünf Dreier und bringt diese mit einer starken Quote von 53 Prozent ins Ziel. Auch Maurice Stuckey, einer der wenigen aus dem letztjährigen Team übrig gebliebenen „Zauberer“, fackelt nicht lange, wenn er an der Dreierlinie frei steht.

Auf dem Flügel zahlten die Crailsheimer vor vier Wochen mit einer schweren Knieverletzung ihres US-Forwards Tim Coleman, der bis zum Saisonende ausfällt, einen hohen Preis für ihren Verlängerungssieg in München. Umso mehr rückt jetzt der andere US-Forward Jeremy Jones ins Rampenlicht, den Trainer Iisalo in der österreichischen Liga (Kapfenberg) entdeckt hat. Wie Coleman ist auch der junge Texaner ein sehr vielseitiger Spieler, der sowohl im Angriff wie in der Verteidigung flexibel einsetzbar ist und damit perfekt zu den Merlins passt.

Boggy Radosavljevic gelingt bei den Merlins der Durchbruch

Durch den Ausfall von Coleman kommt auf der Position drei mehr Verantwortung auf den Youngster Radii Caisin zu und Fabian Bleck, der in der vergangenen Saison viel auf der Position vier spielte, muss jetzt bei den Merlins verstärkt als Small Forward agieren. Als Starter auf der Position vier bleibt mit seiner starken Physis Haywood Highsmith gesetzt. Der auch in der Verteidigung starke Allrounder spielt zwar seine erste Saison diesseits des Atlantiks, kann aber zwei Jahre in der G-League vorweisen, in denen er sogar für fünf Einsätze in der NBA (Philadelphia) hochgeholt wurde.

Unter dem Korb läuft es in dieser Saison für Ex-Albatros Bogdan Radosavljevic in Crailsheim besser als bei allen seinen vorherigen Mannschaften. Der 2,13 Meter große Center holt Rebounds, trifft die Dreier und stellte vor zwei Wochen beim 109:81 in Göttingen mit 28 Punkten, zehn Rebounds und vier Assists eine neue Karrierebestleistung auf. Auch der athletischere US-Center Jamuni McNeace ist eine verlässliche Größe unter dem Korb und sorgt mit großer Sprungkraft und langen Armen für spektakuläre Highlights am Brett.

Crailsheim kommt gut erholt aus der Länderspielpause

Zwar brachten die Albatrosse den Crailsheimern vor drei Wochen mit ihrem 101:77-Sieg in der Arena Hohenlohe die erste Heimniederlage seit über einem Jahr bei. Aber das Team von Trainer Tuomas Iisalo erholte sich mit Siegen gegen Braunschweig (75:69) und in Göttingen (109:81) schnell wieder von diesem Schock. Die anschließende Länderspielpause kam Crailsheim, das keine Spieler an Nationalteams abstellen musste, sehr gelegen, um angeschlagene Spieler wieder in Form zu bringen und sich auf die Revanche in Berlin vorzubereiten.

Seit der Verletzung von US-Forward Tim Coleman spielte Crailsheim zuletzt in folgender Aufstellung (in Klammern gerundete Saison-Stats/Spiel):
PG: Trae Bell-Haynes (29 min, 19 p, 4 rb, 8 as), Nimrod Hilliard (15 min, 9 p, 4 as)
SG: Maurice Stuckey (18 min, 8 p): Elias Lasisi (25 min, 11 p)
SF: Jeremy Jones (20 min, 7 p), Radii Caisin (6 min, 3 p)
PF: Haywood Highsmith (27 min, 8 p, 5 rb), Fabian Bleck (25 min, 6 p, 4 rb)
C: Bogdan Radosavljevic (21 min, 12 p, 5 rb), Jamuni McNeace (18 min, 9 p, 5 rb)

Stimmen zum Spiel:
 

Israel Gonzalez (ALBA Associate Headcoach): „Bei unserem Sieg in Crailsheim vor drei Wochen haben wir eine sehr engagierte und fokussierte Leistung gezeigt. Eine solche wird auch am Sonntag wieder notwendig sein, um ein Top-Team wie Crailsheim zu schlagen, denn nach der Niederlage gegen uns sind sie mit zwei Siegen in Folge sofort in die Erfolgsspur zurückgekehrt.“

Marcus Eriksson (ALBA-Guard): „Crailsheim ist eine sehr gute Mannschaft. Im Hinspiel haben wir eine gute Leistung gezeigt und hoch gewonnen, die Crailsheimer werden für dieses Spiel entsprechend motiviert und gewillt sein, es gegen uns besser zu machen. Sie hatten eine Menge Zeit, sich für dieses Spiel vorzubereiten. Aber wir wissen, was für eine Mannschaft sie sind und wo ihre Stärken liegen. Wir müssen trotz der kurzen Vorbereitungszeit mental und physisch bereit sein.“

Gut zu wissen:
 

Crailsheims Center Bogdan Radosavljevic spielte von 2016 bis 2918 für ALBA BERLIN. Nach weiteren Stationen in Ludwigsburg, Ulm und Brindisi kehrt der Center in der vergangenen Saison noch einmal für einige Wochen zu ALBA zurück, um auf der durch mehrere Verletzungen dezimierten Centerposition auszuhelfen. Insgesamt spielte er 91 Spiele für ALBA und verzeichnete dabei 554 Punkte und 257 Rebounds.

Crailsheims Trainer Tuomas Iisalo wohnte vor dem Mauerfall vier Jahre in Berlin, wo sein Vater seinerzeit für das finnische Fernsehen arbeitete. Allerdings war er damals noch zu klein, um sich an diese Zeit zu erinnern. Sein drei Jahre jüngerer Bruder Jonas, der ihm in Crailsheim als Assistant Coach zur Seite steht, wurde sogar am 5. Januar 1986 in Berlin geboren.

HAKRO Merlins Crailsheim (easyCredit BBL 2020/21)

Nr.

Name

Pos.

Alter

cm

Nat.

BBL

Ø Pkt

Ø Rb

Ø As

2

Trae Bell-Haynes

1

25

188

CAN

1 J.

18,9

4,1

8,0

3

Maurice Stuckey

2

30

187

GER

10 J.

7,6

1,9

1,1

4

Nimrod Hilliard

1

29

183

USA

---

8,6

1,4

4,0

5

Aleksa Kovacevic

1

18

186

GER

1 J.

0,2

0,0

0,3

6

Elias Lasisi

2

29

191

BEL

1 J.

11,0

2,7

1,5

7

Haywood Highsmith

4

24

201

USA

---

8,1

4,6

1,5

9

Fabian Bleck

3

27

201

GER

8 J.

6,2

3,8

1,6

11

Tim Coleman (verletzt)

3

26

196

USA

---

10,9

4,0

2,0

13

Radii Caisin

2

20

198

GER

1 J.

2,9

0,4

0,3

15

Bogdan Radosavljevic

5

27

213

GER

9 J.

12,4

4,5

1,0

17

Jamuni McNeace

5

24

208

USA

---

9,0

5,0

0,3

21

Vladan Lazic

1

19

188

GER

1 J.

0,0

0,5

0,0

22

Dejan Kovacevic

5

24

208

GER

5 J.

1,4

0,2

0,2

24

Jeremy Jones

3

24

201

USA

---

7,4

2,5

0,8

Head Coach: Tuomas Iisalo (38, FIN, sechste Saison in Crailsheim, die vierte in der BBL)

Crailsheim: Resultate der letzten drei Wochen:
06.2. Gießen 46ers – Crailsheim (easyCredit BBL) 82:101 (S) Radosavljevic 14
09.2. Crailsheim – ALBA BERLIN (easyCredit BBL) 77:101 (N) Lasisi 14
12.2. Crailsheim – Braunschweig (easyCredit BBL) 75:69 (S) Bell-Haynes 21
14.2. BG Göttingen – Crailsheim (easyCredit BBL) 81:109 (S) Radosavljevic 28

ALBA BERLIN: Resultate der letzten drei Wochen:
07.2. ALBA – Chemnitz (easyCredit BBL) 83:65 (S) Eriksson 20
09.2. Crailsheim – ALBA (easyCredit BBL) 77:101 (S) Lo 19
12.2. ALBA – Bayreuth (easyCredit BBL) 80:68 (S) Lo 23
14.2. Bamberg – ALBA (easyCredit BBL) 76:67 (N) Eriksson 16
19.2. Fenerbahce Istanbul – ALBA (EuroLeague) 89:84 (N) Eriksson 19
26.2. ALBA – Panathinaikos Athen (EuroLeague) 74:65 (S) Thiemann 16

ALBA-Bilanz gegen Crailsheim: 8:1
8 Siege – 1 Niederlage (in Berlin 4-0)
alle Spiele in der Bundesliga
Höchster Sieg: 115:76 am 12. Oktober 2018 in Berlin
Einzige Niederlage: 82:91 am 8. März 2020 in Ilshofen