Die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen, der Gewinn des Doubles und die Folgen, der Titel "Associate Headcoach" und die Zukunft unseres Frauenteams. Geschäftsführer Marco Baldi und Sportdirektor Himar Ojeda beantworten fünf der wichtigsten Fragen bezüglich des Klubs.

Das Interview ist Teil unseres Jahrbuchs 2020/2021 (hier im Shop erhältlich). Alle Infos zum Jahrbuch am Ende des Gesprächs.

Welchen Einfluss hatte der Gewinn des Doubles für die Arbeit während der Saisonpause und für die Außendarstellung des Klubs?
Himar Ojeda: Viele Leute haben bereits verfolgt und wertgeschätzt, was wir als Klub tun und wie wir arbeiten. All das hat durch die beiden Titel aber mehr Aufmerksamkeit bekommen. Intern haben wir uns auch in den letzten Jahren immer gut und selbstbewusst gefühlt – obwohl wir einige Finals verloren haben. Wir waren zufrieden mit unserer Arbeit. Wir sind in die Endspiele gekommen, haben Spieler weiterentwickelt und wirklich guten Basketball gespielt. Die Titel sorgen dafür, dass immer mehr Leute realisieren, dass unsere Arbeit es wert ist, sich uns anzuschließen. Das hat uns in diesem sehr schwierigen Sommer dabei geholfen, ein Team zusammenzustellen. Wir haben sechs Spieler verloren, die wir ersetzen mussten. Die Atmosphäre in unserem Klub und unsere sportliche Entwicklung haben einige Transfers erst möglich gemacht. Die neuen Spieler sind allesamt mit großer Vorfreude hierhergekommen, sie wollten ganz bewusst zu ALBA und haben sich bislang gut eingefügt. Es ist immer gut zu sehen, wenn ein Spieler sich so präsentiert, wie wir es uns erhofft haben – und wie wir auf Grund unserer Analysen geglaubt haben. Dass wir die Titel mit einigen jungen Spielern gewonnen haben, die aus unserem Nachwuchs stammen, macht uns zusätzlich stolz. Es ist ein ebenso tolles Gefühl, wenn mehrere Jungs, die mit uns groß geworden sind, in der EuroLeague auf dem Parkett stehen. Das ist Teil unseres Konzepts und unseres Plans. 

Marco Baldi: In den letzten Jahren wurde uns manchmal gesagt, dass man Bamberg oder Bayern nur schlagen kann, wenn man sich ausschließlich darauf fokussiert. Und nicht zusätzlich ein riesiges Programm mit vielen sozialen Projekten und einem großen Jugendunterbau unterhält und dafür viel Energie aufwendet. Ich gebe zu: Auch wir hatten zwischendurch unsere Zweifel, sind aber schlussendlich weiter konsequent diesem, unserem, man kann sagen am Charakter und den Besonderheiten Berlins orientierten Weg gefolgt. Mit dem Profibasketball als Leuchtturm, unserem Grassroot- und Jugendprogramm als Basis und der anspruchsvollen, aber entscheidenden Durchlässigkeit und Orientierung aller unserer Unternehmungen. Ein Pokalfinale vor 15.000 Leuten in der eigenen Halle zu gewinnen, ist ein emotionaler Glücksmoment, der sehr motivierend auf das gesamte Programm, Fans und alle Mitwirkenden – seien es aktive oder passive – wirkt. Denn am Ende sind das keine Größen, sondern Menschen, die mitgehen, teilhaben, beitragen und durch so ein gemeinsames Ereignis etwas 'dazubekommen'. Zusätzlich hilft uns das Double bei der Weiterentwicklung unseres Klubs. Erfolg ist anziehend und sorgt für Aufmerksamkeit auf vielen Feldern – und schärft natürlich auch den Wettbewerbsgeist unserer Mitstreiter... 

"Innovationskraft, Gestaltungstrieb, aber auch Hartnäckigkeit und Widerstandskraft. Und alles wird gerahmt durch die Ambition."
Marco Baldi

Was bedeuten die Schwierigkeiten der Corona-Pandemie für die Zukunft von ALBA BERLIN?
Marco Baldi: Wie so viele stehen auch wir vor einer riesigen Herausforderung, womöglich der größten unserer Klubgeschichte. Alles, was wir tun, umfasst und befördert Bewegung und Begegnung. Beides ist durch die Pandemie extrem beschränkt. Wir können nicht absehen, was in dieser Saison alles auf uns zukommt, ob der Spielbetrieb halbwegs störungsfrei durchgeführt, ob Sportunterricht an den Bildungseinrichtungen angeboten werden kann, ob das Reisen eingeschränkt werden muss, ob unsere Fans zu den Spielen kommen dürfen und so weiter und so weiter. All diese Dinge haben natürlich massiven Einfluss auf unsere Unternehmungen, unsere Möglichkeiten und auch unseren Zustand. Das Gute ist, dass wir über die Jahre eine solide und lebendige Substanz aufgebaut haben. An Partnern, Unterstützern, Fans, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Es sind viele, die teilhaben, interessiert sind und unseren Weg verfolgen. Gleichzeitig haben wir auf diesem Weg Werte und Kompetenzen entwickelt, die uns jetzt helfen: Innovationskraft, Gestaltungstrieb, aber auch Hartnäckigkeit und Widerstandskraft. Und alles wird gerahmt durch die Ambition. Wir sind Sportler und so wie unser Aushängeschild, unser Profiteam, wollen wir weiterkommen, uns auf höchstes Niveau begeben, immer ein Stückchen weiter und besser. Als Basketballteam und als Organisation. Ich denke, wir werden durch die Pandemie in vielen Gesellschaftsbereichen Auswirkungen und Veränderungen sehen. Wir sind Teil der Gesellschaft, auch die Umsetzung unserer Ambition wird davon abhängen, wie stark Zusammenhalt und Wandlungsbereitschaft sind. Und genau deshalb bin ich optimistisch, was unsere Zukunft anbelangt.
 

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Nachhaltigkeit, Gleichberechtigung, Populismus: Welche Rolle nimmt ein Sportklub inmitten der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen ein?
Marco Baldi: Wir beobachten derzeit, dass im Fußball die Einschaltquoten bei Sportübertragungen sinken, dass Stadien und Hallen trotz deutlich reduzierter Kapazitäten nicht immer gefüllt sind. Wir sehen, dass die NBA die Bubble in Orlando zur Beendigung der Saison erstmals auch als politische Plattform genutzt hat. Nicht nur einzelne Spieler, sondern die Liga als Ganzes. NHL und NFL sind gefolgt. Da geht es ganz offensichtlich um gesellschaftliche Relevanz und gesellschaftliche Verbindungen. Das rein sportliche Produkt ist in Zeiten von Bubble-Basketball bei einer Vielzahl von gleichzeitig kontrovers diskutierten, akuten gesellschaftlichen Themen offenbar nicht mehr ausreichend, um eine hohe Aufmerksamkeit zu erreichen. Das ist neu. Ich denke, der Erfolg und Wert von Sportorganisationen – oder runtergebrochen auf Sportklubs – wird nicht nur daran gemessen, wie viele Titel gewonnen und welche Stars verpflichtet werden. Es wird zunehmend auch um die Werte der Klubs gehen und darum, wie sie sich in die Gesellschaft einbringen. Ob sie sich zu den zentralen gesellschaftlichen Themen positionieren, damit inhaltlich verbinden, danach handeln. Die Kernkompetenz eines Sportklubs wird auch weiterhin darin bestehen, sich zu verbessern, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen, möglichst viele Spiele und Titel zu gewinnen. Und dabei am besten die Ästhetik des Spiels aufzunehmen und zu verfeinern. Schafft der Klub darüber hinaus direkte Verbindungen in sein Umfeld oder ganz allgemein in die Gesellschaft, zum Beispiel indem er seine Kompetenzen auch anderen durch konkrete Angebote zugänglich macht, entstehen wertvolle Beziehungen und Gemeinschaften. Der Sport, insbesondere der Teamsport, ist geradezu prädestiniert dafür.

"Wir übergeben mehr Aufgaben an Israel Gonzalez, er bekommt mehr Verantwortungen zugeteilt und trifft mehr Entscheidungen, während er weiterhin mit Aito zusammenarbeiten kann."
Himar Ojeda

Was bedeutet die Entscheidung, Israel Gonzalez zum „Associate Headcoach“ zu befördern, für unseren Klub und was steckt hinter dem Titel?
Himar Ojeda: Diese Struktur habe ich erstmals während meiner Zeit bei den Atlanta Hawks in der NBA kennengelernt. Damals hat die Organisation ihren ehemaligen General Manager Rick Sund als Berater behalten, nachdem er ersetzt wurde. In diesem Fall hat das sehr gut funktioniert. Sund hat akzeptiert, dass seine Rolle eine andere sein würde, und hat der Organisation so weiterhin helfen können. Das Gleiche gibt es mit den Trainern: Es gibt dort Veteran Coaches, die im Hintergrund weiter mitarbeiten und bei bestimmten Entscheidungen involviert werden. In Europa neigen wir oft dazu, die Leute nach dem Ausüben ihrer Haupttätigkeit einfach gehen zu lassen. Unsere Idee ist folgende: Aito ist jemand, der uns sehr guttut. Er ist ein brillanter Trainer. Der Prozess, den ein Head Coach Jahr für Jahr abwickeln muss, hat ihn aber auch ermüdet. All die Auswärtsreisen, die Entscheidungen und auch die Öffentlichkeitsarbeit, dieses Gewicht musste er sehr lange tragen. Das wollten wir ändern und hatten das Gefühl, dass jetzt ein guter Zeitpunkt dafür ist. Wir übergeben mehr Aufgaben an Israel Gonzalez, er bekommt mehr Verantwortungen zugeteilt und trifft mehr Entscheidungen, während er weiterhin mit Aito zusammenarbeiten kann. Natürlich hat die Beziehung von Israel und Aito bei der Entscheidung eine Rolle gespielt. Sie kennen sich schon sehr lange und haben bereits in Spanien zusammengearbeitet. Die Entscheidung hat in dieser besonderen Konstellation absolut Sinn gemacht. Israel ist ein erfahrener Coach, der mit großen Coaching-Persönlichkeiten wie Aito, Pedro Martinez (Head Coach bei Vitoria Baskonia) oder Pablo Laso (Head Coach bei Real Madrid) gearbeitet hat. Seine Arbeit ist von all diesen Coaches beeinflusst, aber vor allem hat er eine klare eigene Idee, einen eigenen Charakter und seine eigenen Methoden. Das ist sehr wichtig.

Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung unseres Frauenteams?
Himar Ojeda: Als wir als Organisation darüber entschieden haben, unserem Frauenbasketball einen Push zu geben, war das nicht nur einer von vielen Punkten auf der Tagesordnung, es war eine absolute Priorität für uns. Natürlich ist dieser Prozess kein leichter. Er braucht Zeit. In diesem Jahr haben wir mehr Nachwuchsspielerinnen in unserem DBBL-Team, viele von ihnen sind keine Vollzeitspielerinnen, sie arbeiten und studieren nebenbei. Umso stolzer macht es mich, dass wir all den pandemiebedingten Problemen zum Trotz einen Schritt nach vorne gemacht haben: In diesem Jahr erhalten alle unsere Spielerinnen erstmals eine Vergütung. Manche bekommen ein Gehalt, andere eine Wohnung oder eine andere Form der Unterstützung. Die Spielerinnen spüren, dass wir es ernst meinen. Rein sportlich wird es noch dauern, bis wir auf den höchsten Ebenen mitspielen können. Aber wir sind auf dem richtigen Weg.

Jahrbuch 2020/2021
 

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Das neue Jahrbuch ist da! Ab heute ist die Ausgabe zur Saison 2020/21 für 5 Euro in unserem Shop zu erwerben. 

Info für Mitglieder und Dauerkarteninhaber*innen:
Alle Mitglieder und Dauerkarteninhaber*innen bekommen unser Jahrbuch in den nächsten Tagen kostenlos per Post nach Hause geschickt. 

Die Themen des Jahrbuchs:
Neben dem Interview mit Marco Baldi und Himar Ojeda erfahren Sie dank Steckbriefen und individuellen Kurzportraits dabei wie gewohnt alles über die Coaches und Spieler*innen unserer Männer- und Frauen-Teams.

Ins Detail geht es in unserem Skills-Themenblock. In dem beleuchten wir sechs der wichtigsten Fähigkeiten des Basketballsports und sprechen mit den Albatrossen, die die jeweiligen Skills besonders gut beherrschen. In Interviews erzählen Johannes Thiemann vom Post-Up-Spiel sowie Ben Lammers und Fee Zimmermann von ihrer Leidenschaft für Defense. Marcus Erikssons überdurchschnittliche Fähigkeiten als Werfer und Luke Sikmas Rebounding-Skills werden in Portraits erfasst, während Lena Gohlisch das Passen anhand verschiedener Spielsituationen seziert und Maodo Lo für das Protokoll zu seinen Fähigkeiten als Dribbler zu seinem Lieblings-Freiplatz zurückkehrt.

Dass ALBA BERLIN ein großes Nachwuchsprogramm unterhält und ein vielfältiges Sozialengagement an u.a. 200 Schulen und Kitas betreibt, ist kein Geheimnis. Vizepräsident Henning Harnisch erklärt im ALBABET, an welchen Projekten der Verein arbeitet, wo er überall tätig ist und was er in Zukunft weiter vorhat – von A bis Z.

Dazu gibt es alle Infos zu unserer Cheerleading-Abteilung, unseren Rollstuhlbasketball-Teams und unseren Kooperationsmannschaften von Bernau bis zum Team Higherlevel im Süden der Stadt.