Zum Saisonauftakt bitten wir ALBA-Geschäftsführer Marco Baldi zum Interview. In guter Tradition blicken wir dabei auch in diesem Jahr über den Tellerrand hinaus.

Marco, nach der tollen letzten Saison ist die Vorfreude auf die neue Spielzeit riesengroß. Auch das Nationalteam hat uns im Sommer viel Spaß gemacht. Was bedeutet die vorzeitige WM-Qualifikation für den deutschen Basketball?

MB: Zunächst mal auch an dieser Stelle herzlichen Glückwunsch, das hat mich für Henrik Rödl und die Jungs sehr gefreut. Wir haben eine sehr gute Situation, wie wir sie in Deutschland noch nie hatten. Sieben Spieler sind in der NBA und darüber hinaus haben wir zig Topspieler, die in der BBL und anderen europäischen Ligen Leistungsträger sind. Wichtig wäre jetzt, dass der Bundestrainer kontinuierlich mit ihnen arbeiten und sie zu einem Team formen kann, statt dass mal die NBA-Spieler und dann mal andere fehlen. Wir haben eine noch junges, aber schon starkes Team, das vielleicht schon 2019 in China Großes erreichen kann. Und wir haben eine große Zahl von talentierten Nachwuchsspielern, die bereit stehen, um nachzurücken.

Viele dieser Nachwuchs-Talente spielen bei ALBA…

MB: Das war unser Ziel. Dass ALBA als erster deutscher Verein in allen drei Jugendklassen – U14, U16 und U19 – Deutscher Meister geworden ist, war für mich ein Höhepunkt der vergangenen Saison. Als uns kürzlich für das traditionelle Testspiel in Oranienburg nur vier Profis zur Verfügung standen, konnten wir auf gleich sechs junge Doppellizenzspieler zurückgreifen, die schon eine richtige Rolle im Team spielen können. Das dokumentiert sehr gut den Weg, den wir weiter gehen wollen.

Gerade in dieser Hinsicht hat sich die Verpflichtung von Aito Garcia Reneses als Glücksfall erwiesen?

MB: Aito passt perfekt zu uns und unserem Programm. Ich kenne keinen Trainer, der in jeder Halle mit Applaus begrüßt wird. Das hat er sich durch seine Erfolge und sein Auftreten erarbeitet. Er entwickelt mit seinem Trainerteam wie kaum ein Zweiter Spieler weiter, formt sie zu einem Team und lässt einen schnellen, offensiven Stil spielen. Und schafft dabei den Spagat, nicht nur Talente zu entwickeln sondern auch noch auf höchstem Niveau wettbewerbsfähig zu sein.
 

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ALBA mit Aito hat viel Spaß gemacht, aber man hat den Eindruck dass sich auch die BBL insgesamt entwickelt. Woher kommt der generelle Aufschwung?

MB: Als die BBL vor vielen Jahren eine Quote eingeführt und die Anforderungen an die Clubs - speziell bezüglich der Nachwuchsarbeit - nach oben geschraubt hat, fand das nicht jeder gut, weil das vorgeschrieben wurde und Mittel gebunden hat. Aber jetzt sehen wir –auch an den Erfolgen des Nationalteams -, dass dieser Weg der richtige ist.

Zahlt der sich auch finanziell aus?

MB: Wir haben gerade die Verträge mit der Telekom und Sport1 um weitere fünf Jahre verlängert - zu verbesserten Konditionen. Die Clubs kommen zum ersten Mal in den Genuss einer signifikanten Ausschüttung. Die BBL-Clubs haben in der letzten Saison schon 120 Millionen erwirtschaftet. Das ist eine Steigerung von 40 Prozent gegenüber dem Wert von vor fünf Jahren und zeigt, wie rasant sich die Liga entwickelt. Was wiederum auch bedeutet, dass sich der Wettbewerb qualitativ von Jahr zu Jahr verbessert.

Auch ALBA hat seinen Spieleretat noch einmal erhöhen können, ist aber damit immer noch meilenweit von den europäischen Topclubs entfernt?

MB: Gerade hat der EuroLeague-Champion Real Madrid seine Zahlen für die letzte Saison veröffentlicht. Die Einnahmen beliefen sich auf 15 Millionen und die Ausgaben auf 44 Millionen. Bei Fenerbahce, das die EuroLeague im Jahr davor gewonnen hat, war das Verhältnis ähnlich. Von den Einnahmen der Madrilenen sind wir gar nicht mehr so weit weg - von den Ausgaben schon. So können wir nicht arbeiten. Wir haben keinen Fußballclub im Kreuz und auch keinen Mäzen, der gegebenenfalls große Lücken stopfen würde. Wir glauben an den Weg, dass man auch mit kleinen, aber beharrlichen Schritten zum Erfolg kommen kann – ohne dabei die langfristige Entwicklung des Clubs für den kurzfristigen Erfolg zu riskieren.

ALBA trifft in den ersten beiden Heimspielen gegen Jena und Bursa auf Gegner, die nur einen Nationalspieler für die WM-Quali abstellen mussten. ALBA musste in der Vorbereitung neben den Verletzten auf gleich vier Nationalspieler verzichten. Bei aller Freude über die Nationalmannschaft, wie schwer wiegt dieses Handicap?

MB: Unsere Saisonvorbereitung hat das enorm behindert. Wir werden unsere Form über die ersten Spiele finden müssen und Geduld brauchen. Wirklich negativ ist aber, dass kaum ein Klub die wenigen, sehr wichtigen Wochen der Vorbereitung mit dem komplettem Team bestreiten konnte. Alle Spieler befinden sich während der Vorbereitung mit ihren Klubs in einer Aufbauphase. Aus der wurden sie herausgerissen, um mit den jeweiligen Nationalteams entscheidende Spiele zu bestreiten. Also ohne richtigen Aufbau in den Wettbewerb und wieder zurück. Aus sportlicher Sicht ist das sowohl für die Klubs als auch für die Nationalteams eine unbefriedigende Situation. Also eine lose-lose Situation. Das kann wirklich nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Im vergangenen Jahr fehlte ALBA nur ein Sieg zum ganz großen Erfolg. Mit welchen Erwartungen gehst du in die neue Saison?

MB: Nach dem tollen letzten Jahr wollten wir die Kontinuität im Team möglichst hoch halten. Wir sind froh das geschafft zu haben, acht der zwölf Kaderplätze sind gleich besetzt wie letzte Saison. Diese Kontinuität schafft gute Voraussetzungen, aber trotzdem wird es für uns jetzt nicht automatisch weiter nach oben gehen. Ich persönlich glaube sogar, dass das für uns eine sehr anspruchsvolle Saison wird, weil hohe Erwartungen, wie sie jetzt von allen Seiten an uns herangetragen werden, die Lage verändern. Wir haben auch in dieser Saison die jüngste Mannschaft in der Liga. Da können hohe Erwartungen zu einer hohen Bürde werden. Das ist die eine Seite. Die andere Seite sind die internen Erwartungen. Die Spieler, die sich im letzten Jahr phantastisch entwickelt haben, haben jetzt ja auch höhere Erwartungen an sich und womöglich auch an ihre Rolle. Mit solchen Erwartungen umzugehen ist nicht einfach.

Also ist es zu früh, jetzt schon von einem neuen Finale zu reden?

MB: Definitiv. Hinter dem letztjährigen Erfolg stand eine riesengroße Geschlossenheit der Mannschaft. Das hat uns in die Situation gebracht, ganz nah an die Spitze zu kommen. Wie gesagt, die Voraussetzungen dafür, das zu wiederholen, sind da. Das Team ist in weiten Zügen beieinander geblieben. Dazu sind gute Spieler gekommen, die uns sehr helfen werden. Dahinter drängeln sich noch zig junge Spieler, was phantastisch ist und so wie wir es wollen. Aber das muss alles zu einer neuen Einheit werden. Wieder diesen Spirit zu entwickeln, dass die Mannschaft das wichtigste ist und nicht das Individuum, ist die Herausforderung, vor der wir stehen.