Kaum war Erika Livermore in diesem Sommer in Berlin gelandet, stand eine ganze Reihe an Terminen auf ihrem Programm. Den Anfang machte eine China-Reise mit ihrem neuen Team, der Frauenmannschaft von ALBA BERLIN. Nach der Rückkehr folgten ein Fotoshooting mit dem neuen ALBA-Trikot, noch eines für die neue Fanartikel-Kollektion des Klubs sowie Interviews und Drehtermine fürs Fernsehen. Und das alles zwischen Training, Test- und Pokalspielen.

Fotos: Philipp Sommer

Der Grund für die große Aufmerksamkeit rund um die junge US-Amerikanerin: Livermore ist die erste ausländische Profibasketballerin bei ALBA. Ihre Verpflichtung steht symbolisch für die Ambitionen des Klubs im Frauenbasketball. Die Frauenmannschaft ALBAs, die ihre zweite Saison in der zweiten Damen Basketball Bundesliga (DBBL) spielt, soll in den nächsten drei bis fünf Jahren nicht nur in die erste Liga aufsteigen, sondern dort auch um Titel spielen. Die Weichen hierfür werden jetzt gestellt. Mit Hilfe einer professionalisierten Infrastruktur, eines neuen Trainers und der ersten Profispielerin, vor allem aber mit vielen jungen deutschen Spielerinnen und Talenten aus dem eigenen Nachwuchsprogramm, die gezielt entwickelt werden.

Für ALBA-Geschäftsführer Marco Baldi war eben dieses eigene Nachwuchsprogramm ein entscheidender Auslöser für die neuen Ambitionen im Frauenbasketball. „Die Mädchen- und Frauenbasketballabteilung bei ALBA ist die größte aller deutschen Klubs“, erklärt Baldi. „Das Ganze ist organisch gewachsen und wächst weiter.“ Knapp 400 Mädchen und Frauen spielen inzwischen für ALBA im Spielbetrieb, hinzu kommen mehrere Tausend Mädchen, die im breit angelegten Schul- und Kitaprogramm regelmäßig mit und bei ALBA trainieren. „Wir werden nun die vorhandene Dynamik stärken und die nötige Infrastruktur schaffen, um unsere ambitionierten Ziele zu erreichen“, so Baldi weiter.
 

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Erika Livermore beim Heimspiel der ALBA-Frauen gegen Osnabrück in der Max-Schmeling-Halle

Ein Blick auf den Kader der Zweitligamannschaft zeigt, dass ALBA jungen talentierten Spielerinnen eine Chance gibt. Gerade mal 22,2 Jahre sind die Spielerinnen im Schnitt alt. Kein Zufall, wie ALBA-Sportdirektor Himar Ojeda erklärt. „Wir verfolgen ein ähnliches Konzept wie bei den Männern. Wir wollen junge Talente weiterentwickeln und gleichzeitig sportlichen Erfolg haben“, sagt der Spanier, der neuerdings nicht nur Spieler, sondern auch Spielerinnen scoutet. So kamen schon im letzten, vor allem aber in diesem Sommer gleich mehrere Spielerinnen mit Erst- und Zweitligaerfahrung nach Berlin, die den Kader ALBAs auch in der Breite verstärken. Die ehemalige Nationalspielerin Ireti Amojo etwa oder die 25-jährige Berlinerin Lena Gohlisch, die Berlin einst verließ, um erste Liga zu spielen und in diesem Sommer zurückkam, um zukünftig bei ALBA ihre Körbe zu werfen. Und eben die aus Spanien gekommene Erika Livermore.

Bei ALBA soll Livermore, die in den ersten vier Spielen der 2. DBBL im Schnitt 21,3 Punkte und 11,8 Rebounds für ihr Team aufgelegt hat, sich auch abseits vom Werfen, Passen und Dribbeln einbringen. „Wir erhoffen uns, dass Erika ihre große Erfahrung nutzt und ihre Mitspielerinnen auf und neben dem Feld anleitet“, sagt Himar Ojeda. Livermore selbst ergänzt: „Als eine der älteren Spielerinnen im Team will ich ein Vorbild für die jüngeren Spielerinnen sein.“ Auch der Bedeutung ihrer Position ist sie sich bewusst: „Meine Verpflichtung ist ein Zeichen dafür, dass ALBA es mit der Entwicklung des Frauenbasketballs ernst meint.“

Wie richtig Livermore mit ihrer Einschätzung liegt, zeigen die weiteren Maßnahmen, die ALBA im Frauenbasketball etabliert hat. Da wären etwa neu geschaffene Wohngemeinschaften für Spielerinnen oder eine noch bessere physische und psychologische Betreuung der Athletinnen durch eine eigene Athletiktrainerin, einen Physiotherapeuten und eine Sportpsychologin. Die vielleicht wichtigste Neuerung ist jedoch, dass die Spielerinnen der DBBL-Mannschaft und die der WNBL (weibliche U18-Bundesliga) nun auch Teil des von ALBAs Individualtrainer Carlos Frade angeführten, klubeigenen Spielerentwicklungsprogramm sind. Dieses hat Spielern wie Tim Schneider oder Jonas Mattisseck den Weg zum Profi geebnet und soll nun auch ALBAs weibliche Talente bestmöglich fördern. „Wir setzen die Dinge, die bei den Jungs und Männern funktionieren, jetzt auch bei den Mädchen und Frauen um“, fasst Cristo Cabrera zusammen.
 

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Frauencoach Cristo Cabrera spricht in einer Auszeit zu seinem Team

Cabrera ist seit dieser Saison der Trainer von ALBAs Frauenmannschaft. Der im spanischen Gran Canaria geborene 34-Jährige wurde von seinem Landsmann Ojeda nach Berlin geholt. Von einem Wechsel nach Berlin überzeugt habe ihn, dass der Klub im Frauenbasketball etwas aufbauen wolle, sagt Cabrera. Die Voraussetzungen dafür, dass dies gelingt, seien sehr gut. Er ergänzt: „Wir haben hier sehr viele talentierte Spielerinnen.“ Spielerinnen, von denen trotz aller neuen Maßnahmen und Ambitionen keine Wunderdinge erwartet werden: „Wir haben letzte Saison nur wenige Spiele in der Liga gewonnen. Wir wollen uns also dieses Jahr erst mal in der Liga etablieren und beweisen“, sagt Sportdirektor Ojeda.

Aber auch Himar Ojeda betont, dass die mit seiner Hilfe zusammengestellte Frauenmannschaft eher mittel- als langfristig in die erste Liga aufsteigen und dort um Titel spielen soll. Schließlich müsse ein Verein wie ALBA „immer den Anspruch haben, sich auf dem höchstmöglichen Level zu messen - ganz egal, ob bei den Männern oder bei den Frauen.“