Acht Wochen lang musste Niels Giffey mit einer Fußverletzung im Januar und Februar pausieren. Mittlerweile steht er wieder auf dem Court. Im ausführlichen Interview spricht der Kapitän der Albatrosse über sein Comeback, die Besonderheiten des diesjährigen Teams, die näherkommende 30 und Off-Court-Themen, die ihn begeistern, wie die Sports-Tech-Branche, Drohnenflüge und Graffiti.

Interview: Louis Richter, Fotos: Jan Buchholz

Niels, du musstest mit einer Fußverletzung insgesamt acht Wochen lang aussetzen. Wie geht’s dir mittlerweile nach deinem Comeback?
Ganz gut, auch wenn es derzeit schwierig ist, wieder richtig in den Rhythmus zu kommen. Auf Grund des eng getakteten Spielplans kommen wir kaum zum Trainieren. Die Trainingstage selbst muss ich derzeit noch ab und an nutzen, um etwas Pause zu machen. In den Rhythmus kommt man derzeit nur über die Spiele, weswegen die ersten Partien auch ziemlich schwierig für mich waren: Ich bin innerhalb von zwei Wochen vom normalen Gehen, ohne Rennen zu dürfen, ins Spielen übergegangen. Das war für den Körper natürlich eine ziemlich große Umstellung.

Während deiner Reha hattest du in der Mercedes-Benz Arena deinen Stammplatz hinterm Korb, von dem du aus gemeinsam mit Marco Baldi, Himar Ojeda und den weiteren verletzten Spielern die Partien verfolgt hast. Wie war das für dich? 
Am Anfang war es insofern cool, als dass sich die Struktur meines Alltags kurzzeitig verändert hat. Ich konnte mich mental für ein paar Tage von der Saison entfernen und hatte etwas mehr Zeit für meine Familie. Aber: Das Ego kommt sehr schnell zurück. Der Wille, wieder auf dem Court zu stehen, sich mit den Gegenspielern zu messen und wieder richtig beim Team dabei zu sein. Umso wichtiger ist es, die Ruhe zu bewahren. Sowohl was die Reha als auch die aktuelle Phase angeht. Es ist klar, dass ich nicht von einem Spiel aufs andere wieder in Topform sein kann. Da ist Geduld gefragt. Ich merke, dass ich mich hie und da noch bremsen muss, damit ich in den Spielen wirklich 100 Prozent geben kann. Diese Balance zu finden, gerade mit drei Spielen pro Woche, ist eine echte Herausforderung.
 

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Lass uns mal über das Team sprechen. In dieser Saison habt ihr schon einige Siege in schwierigen Situationen geholt. Seien es die Heimsiege mit einem Minikader gegen die Bayern und Baskonia zum Jahresstart oder der Auswärtssieg bei ZSKA Moskau nach drei EuroLeague-Niederlagen zum Auftakt. Was macht diese Truppe für dich als Kapitän besonders?
Wir haben einen guten Mix aus Selbstvertrauen und Ruhe. Mit den Erfolgen des letzten Jahres im Rücken konnten wir positiv in die Saison gehen. Dazu wurden im Sommer wirklich gute Jungs geholt. Uns allen war relativ schnell klar, dass es eine Frage der Zeit und Gesundheit sein würde, bis sich hier etwas richtig Gutes entwickeln würde. Wir haben schnell gemerkt, dass wir ein richtig gutes Team sein können. Wir haben gute, talentierte Spieler, mehr Erfahrung und meiner Meinung nach auch mehr Biss. 

Inwiefern?
Wir haben in dieser Saison ein paar Spiele gegen gute Teams knapp verloren und hatten danach in der Kabine allesamt das Gefühl, dass wir diese Partien einfach in den Sand gesetzt haben. Dass da Siege drin waren. Vor zwei, drei Jahren hätten wir vielleicht noch gesagt: „Ey, krass. Dass wir gegen Maccabi Tel Aviv so mithalten konnten, richtig gut!“ Dieses Jahr haben wir das Verständnis und auch den eigenen Anspruch, dass wir gegen jedes Team unser Spiel durchziehen und um den Sieg spielen können. Dazu haben sich für einzelne Spieler inmitten all der Verletzungssorgen natürlich auch Chancen ergeben. Ein paar Jungs haben in der EuroLeague plötzlich 20 statt sieben Minuten gespielt, diese Chancen toll genutzt und sich dadurch auch merklich verbessert.

Ich hoffe, du gestattest mir diese Frage: Du wirst im Juni 30 Jahre alt. Macht das etwas mit dir?
Sportlich macht das nichts mit mir, menschlich aber auf jeden Fall. Ich gucke mittlerweile vermehrt nach links und rechts. In den Zwanzigern konnte man viel austesten und auch gerne und oft sagen: „Ach, das mache ich schon irgendwann.“ Ich habe schon das Gefühl, dass es für mich jetzt an der Zeit ist, über den Basketball hinaus ein paar Sachen anzugehen und mich auch in der Hinsicht zu verwirklichen. Sachen, die ich mir über die Jahre vorgestellt habe, wie Investments und andere kleine Businessthemen. 
 

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Du hast ein großes Interesse an Sporttechnologien und dem Business dahinter, richtig?
Auf jeden Fall. Ich habe mich schon früh mit verschiedenen Investments auseinandergesetzt und geguckt, wie ich mich auf die Karriere nach dem Basketball vorbereiten kann. An alternativen Strategien, wie Beteiligungen an Start-Ups, habe ich ein großes Interesse entwickelt. Und dafür ist Berlin natürlich auch ein perfekter Standort, um sich zu informieren und ein Netzwerk aufzubauen. Dazu habe ich noch viele Freunde in den USA. Manche von denen waren damals neben ihrem Studium an der University of Connecticut auch bei uns im College-Team involviert. Sie haben sich um Statistiken gekümmert oder andere Aufgaben übernommen. Deren Idee war es schon damals, so in das Sportbusiness reinzuschauen und später für die NBA, NFL oder andere Ligen und Teams zu arbeiten. Und genau das machen sie heute. Mit diesen Leuten bin ich immer noch im Austausch und kriege mit, wie viel in den USA über Technologien läuft und wie schnell die Leute dort bereit sind, sich weiterzuentwickeln. 

"Was mir hilft, ist das Verständnis von Teamgeist, vom Sport generell und auch davon, wie Sport organisiert wird, also, was hinter so einer Organisation wie ALBA BERLIN steckt."

Und hier in Europa?
Hier kommen viele dieser Entwicklungen immer mehr an. Nehmen wir als einfaches Beispiel die sozialen Kanäle des Vereins. Wir haben mittlerweile bereits während des Spiels Highlight-Ausschnitte auf Twitter, Instagram und Facebook. So können Leute, die während des Spiels unterwegs sind, es trotzdem verfolgen und direkt ein paar der Topmomente im Video sehen. So bleibt man als Sportart durch die Technologie relevant und präsent, wenn auch in einem ganz anderen Rahmen. Diese Schnittachse von Sport und Technologie finde ich sehr interessant.

Hilft dir dein Hintergrund als Leistungssportler dabei?
Was mir hilft, ist das Verständnis von Teamgeist, vom Sport generell und auch davon, wie Sport organisiert wird, also, was hinter so einer Organisation wie ALBA BERLIN steckt. Das sind Dinge, die man in den ersten zwei, drei Profijahren vielleicht nicht checkt, aber über die man mit der Zeit durch Konversationen mit Leuten aus dem ganzen Verein immer mehr erfährt. Dadurch gewinnt man Wissen, das einem bei Konversationen im Businessbereich oder mit anderen Firmen hilft. 
 

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Von wem holst du dir diese Informationen?
Ich spreche mit Leuten aus unserer Marketing- oder Kommunikationsabteilung. Natürlich auch mit unserem Sportdirektor Himar Ojeda. Ich erfahre dadurch, wie sich ALBA strukturell entwickelt und bekomme mit, was gerade zum Beispiel im Jahnsportpark passiert. Das finde ich sehr spannend, weil ALBA eben wirklich mehr ist als ein Profisportklub. Es geht nicht nur um uns, sondern auch um den ganzen Unterbau, der einen extrem sozialen Aspekt hat. Darauf sind auch die Jungs hier im Profiteam stolz, die schon länger dabei sind. Es ist cool zu sehen, wie der Klub hier in Berlin an- und wahrgenommen wird – nämlich als mehr als nur ein Sportverein. 

Lass uns mal etwas zurückblicken, ziemlich genau zehn Jahre. 2011 hast du im März mit der University of Connecticut die nationale College-Meisterschaft der USA gewonnen. Euer Run gilt bis heute als einer der unwahrscheinlichsten in der Geschichte der March Madness. Wie blickst du auf diese Zeit zurück?
Zehn Jahre ist das her? Wow. Das fühlt sich fast ein bisschen bitter an. Wir hatten damals ein Team mit acht Erstsemestlern, uns hat im Vorhinein wirklich niemand etwas zugetraut. Ich habe erst Jahre später gecheckt, was da eigentlich genau passiert ist. Vor allem aber hat mir der Titel nachhaltig verdeutlicht, wie gut sich sportlicher Erfolg anfühlt. Ich hatte in dem Jahr eine kleine Rolle, aber trotzdem habe ich gemerkt, dass ich für das Team wichtig war. Jeder Spieler war wichtig für das Team, egal wie viel er gespielt hat. Das hat mich als Spieler und mein Verständnis von Basketball wirklich geprägt. Dass es mir wichtig ist, als Team, als Mannschaft erfolgreich zu sein. Mit coolen Jungs, die alle füreinander einstehen und ein Ziel verfolgen – das ist das ultimative Ding für mich. 

"Als Team, als Mannschaft erfolgreich zu sein. Mit coolen Jungs, die alle füreinander einstehen und ein Ziel verfolgen – das ist das ultimative Ding für mich."

Ihr habt am Donnerstag gegen Olympiakos Piräus mit Aaron Harrison gespielt. Der stand dir 2014 als Spieler der University of Kentucky beim Gewinn deiner zweiten College-Meisterschaft im Finale gegenüber. Die Basketballwelt kann echt klein sein, oder? 
Und wie. Man lernt über die Jahre viele Leute kennen, knüpft Verbindungen und trifft sich irgendwann irgendwo wieder. Das beste Beispiel dafür ist in meinem Fall ein gewisser Peyton Siva. Ich habe am College jedes Jahr gegen Peyton gespielt, er war mit Louisville auch in der Big East Conference. Es war cool, ihn später hier in Berlin begrüßen zu dürfen. Die Zeit in den USA war aber auch auf einer anderen Ebene für meinen Einstieg in den Profibasketball wichtig.

Und zwar?
Die beiden Meisterschaften mit UConn haben mir Respekt bei den Amerikanern hierzulande verschafft. Die wussten, dass ich in den USA etwas erreicht habe und dementsprechend schon ein bisschen zocken kann. Das hat mir manchmal einen gewissen Puffer gegeben.
 

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Noch einmal weg vom Basketball: Du hast dir im vergangenen Sommer eine Drohne gekauft. Wie fliegt die sich denn so?
Im Sommer habe ich sie sehr viel genutzt und nehme sie auch mal zu Auswärtsspielen mit. Man muss schon aufpassen und sich informieren, wo man fliegen darf. Die Regelungen sind in jedem Land anders. Aber das macht schon richtig viel Spaß. Generell finde ich Foto- und Videografie sehr spannend und würde da auch gerne mehr Zeit investieren. Ich mag es, kreativ zu sein. Deswegen nutze ich auch Programme wie Photoshop gerne, um zum Beispiel an Collagen zu arbeiten. 

Inwiefern hat deine Liebe für Graffiti dazu beigetragen?
Wenn man in Berlin aufwächst, hat man mit dem Thema ja automatisch Kontakt. Man muss nur mit offenen Augen durch die Straßen laufen und kommt damit in Berührung. Bei mir war es so, dass dazu auch viele meiner Freunde aus kreativen Familien kamen, in denen die Eltern bereits Künstler waren. Graffiti war dann der Startschuss meiner Begeisterung für visuelle Kunst, da kam meine kreative Ader erstmals so richtig zum Vorschein. Vor allem in der Zeit von der siebten bis zu 13. Klasse war das ein großes Thema für mich. Da war ich auch mal im Mauerpark an der Hinterlandmauer sprühen und habe viele Skizzen gezeichnet. Über die Jahre habe ich mich dann mit unterschiedlichsten Dingen ausprobiert, mit Ölfarben, Videos, Fotos. Einfach mit unterschiedlichsten Medien.