Nach ihre erfolgreichen Auswärtstour nach Limoges und Ulm dürfen unsere Albatrosse in dieser Woche zwei Mal in ihrem "Wohnzimmer" in der Mercedes-Benz Arena antreten. Sowohl am Dienstag gegen Gdynia (EuroCup, Tipoff 20 Uhr) als auch am Freitag gegen Ludwigsburg (easyCredit BBL, Tipoff 20 Uhr) geht es für Coach Aito und sein Team um wichtige Punkte, um den Anschluss an die jeweilige Tabellenspitze zu wahren.

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Mit Arka Gdynia kehrt ein alter Bekannter aus früheren EuroLeague-Jahren auf die europäische Bühne zurück. Asseco Prokom Gdynia wurde von 2003 bis 2012 neunmal in Folge polnischer Meister und spielte bis 2013 regelmäßig in der EuroLeague, wo das Team von der Ostseeküste 2010 sogar die Playoffs erreichte. Als der Hauptsponsor jedoch seine Zuwendungen drastisch kürzte, verlor Gydina nicht nur seinen Startplatz in der EuroLeague, sondern stürzte selbst in Polen ins Mittelfeld ab.

Vier Import-Spieler verstärken Gdynias polnisches Team

Den Anstoß zum jetzigen Comeback gab die Stadt Gdynia, die ihre führenden Profi- Clubs vom Fußball über Basketball bis hin zum Segeln stärker als Aushängeschild nutzen und dafür finanziell unterstützen will. Alle von dem Programm profitierenden Clubs heißen jetzt Arka Gdynia. Weil dabei international aktive Teams mehr Geld aus dem Topf bekommen, reaktivierten die Basketballer ihre Beziehungen zur EuroLeague, die – vor dem Hintergrund, dass der polnische Verband im aktuellen Europapokal-Konflikt die FIBA unterstützt – nur zu gerne eine EuroCup-Wildcard für den letztjährigen Elften der polnischen Liga herausrückte.

Diesen elften Platz hatte Gdynia mit einer rein polnischen Mannschaft erspielt. Aber Trainer Przemyslaw Frasunkiewicz – ein Nationalspieler, der 2016 seine aktive Karriere beendete, um Headcoach seines Clubs werden – war natürlich klar, dass man mit diesem Konzept im EuroCup nicht konkurrenzfähig sein würde und holte vier erfahrene Ausländer ins Team. Wie stark das neue Arka-Team mit seiner kompakten Defense sein kann, erfuhr gleich am ersten Spieltag Lokomotiv Kuban, das bis zur Sirene um seinen 80:73-Sieg in Gdynia kämpfen musste. Tofas Bursa lag sogar in eigener Halle nach dreißig Minuten noch gegen Arka zurück, bevor man im Endspurt doch siegte.

MVP James Florence und Nachwuchshoffnung Marcel Ponitka 

Die spektakulärste Neuverpflichtung ist der MVP der polnischen Liga, James Florence. Eigentlich wollte der US-Point Guard diese Auszeichnung als Sprungbrett in eine stärkere europäische Liga nutzen, aber Trainer Frasunkiewicz überredete ihn zum Wechsel aus Zielona Gora nach Gdynia. Wie wichtig auch der zweite Spielmacher Krzysztof Szubarga für Arka ist, wurde deutlich, als „Szubi“ am vorigen Spieltag verletzt fehlte und Gdynia prompt gegen Cedevita sein bisher schwächstes Spiel zeigte. Die Spielübersicht des nur 1,78 Meter großen, aber kräftigen Nationalspielers, der im Vorjahr nicht nur Gdynias bester Passgeber, sondern auch Topscorer war, fehlte unübersehbar.

Die Position zwei teilt sich Marcel Ponitka mit dem weitgereisten Litauer Deividas Dulkys, der mit seinem schnellen Release ein kaum zu verteidigender Dreierschütze ist, mit dieser Qualität 2014 sogar Topscorer der polnischen Liga war und zudem ein hartnäckiger Verteidiger ist. Ponitka – bereits Nationalspieler wie sein für Sasa Obradovic in Krasnodar spielender großer Bruder Mateusz – ist trotz seiner erst 21 Jahre schon ein Publikumsliebling in Gdynia. Mit großer Spielintelligenz und technischer Versiertheit kann der Allrounder im Angriff wie in der Verteidigung auf den Positionen eins bis drei spielen.

Arka Gdynia nimmt die meisten Dreier im EuroCup

Vielseitigkeit ist auch das Stichwort für den auf der Position drei startenden Josh Bostic, der mit kompetenten Hilfen für seine Mitspieler ein sehr cleverer Verteidiger ist und sich in der Offensive seinen eigenen Wurf aus allen Lagen kreieren kann (siehe „Vorsicht, heiß!“). Jakub Garbacz war im Vorjahr mit fast drei Dreiern pro Spiel (bei einer Quote von 45 Prozent) der zweitbeste Dreierschütze der polnischen Liga. Überhaupt kennt Gdynia mit im Schnitt 33 Versuchen von jenseits der Dreierlinie keine Grenzen. Kein anderes Team im EuroCup wirft so oft aus der Distanz.

Im Frontcourt, wo der 22-jährige Forward Mikolaj Witlinksi auf der Position vier vor der schweren Aufgabe steht, den mit einer Handverletzung bis November ausgefallenen routinierten Kapitän Filip Dylewicz zu ersetzen, ist Gdynia mit drei blockgewaltigen Riesen sehr groß aufgestellt. Neben Dariusz Wyka (2,09) und dem mit 30 Jahren zu seinem Jugendclub zurückgekehrten Nationalcenter Adam Lapeta (2,17) dominiert hier vor allem Robert Upshaw (2,13). Der US-Center ist als guter Pick&Roll-Verteidiger in der Defense sehr präsent, setzt sich aber in der Zone auch offensiv effektiv durch.
 

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Am Beispiel der MHP Riesen Ludwigsburg kann man sehen, dass ein guter Saisonstart auch für ein Topteam alles andere als selbstverständlich ist. Der letztjährige BBL-Dritte ist schon im Pokal ausgeschieden, hat in der Champions League noch kein Spiel gewonnen und rangiert in der easyCredit BBL mit 2:2 Siegen nur im Mittelfeld. Zieht man allerdings die Umstände dieses holprigen Starts in Betracht, bleiben die Ludwigsburger ein klarer Kandidat für die Playoff-Teilnahme – es wäre ihre sechste in Folge.

Ludwigsburg läuft seiner eigenen Saisonplanung hinterher

Schon in der Saisonvorbereitung lief vieles in Ludwigsburg schief. Mit Konstantin Klein und Owen Klassen verletzten sich zwei wichtige Neuzugänge und fielen für mehrere Wochen aus. Ein dritter Neuzugang, Lamont Jones, traf so übergewichtig in Ludwigsburg ein, dass Trainer John Patrick ihm erst einmal die Aufnahme in den endgültigen Kader verwehren musste, und der neue US-Spielmacher Thomas Wilder klagte über Heimweh (er ist inzwischen in die USA zurückgekehrt). Beim ersten Champions-League- Spiel in der Türkei fing sich das Team in der Türkei einen Magen-Darm-Virus ein und beim zweiten Europapokalspiel erlitt der neue Center Trevor Mbakwe eine Gehirnerschütterung.

Das sind natürlich keine guten Voraussetzungen für den Neuaufbau einer Mannschaft, die mit Kerron Johnson (Pistoia), Thomas Walkup (Zalgiris), Elgin Cook (Cedevita), Dwayne Evans (Ulm) und Johannes Thiemann (Berlin) ihre komplette erste Fünf ersetzen muss. Zwar haben sich jetzt Konsti Klein und Owen Klassen wieder gesund gemeldet und auch Lamont Jones darf – um einige Kilos abgespeckt – wieder mitspielen, aber die Ludwigsburger haben in den letzten Wochen einfach zu wenig gemeinsam trainieren können. Dabei lebt gerade das ausgeklügelte Defensivkonzept von Trainer John Patrick davon, dass jeder Spieler genau weiß, wann er wohin laufen und helfen muss.

Der Kanadier Aaron Best der Allrounder im Backcourt

Aber es gibt auch Lichtblicke – allen voran Jordon Crawford (siehe „Vorsicht, heiß!“). Der mit einem Tryout-Vertrag zunächst nur bis Ende November verpflichtete Point Guard verfügt über eine hervorragende Spielübersicht und ist mit seinen nur 1,68 Metern ungemein schnell. Zudem ist der Lockenkopf aus Cleveland mit viel Mimik stets gut gelaunt und gerade in diesen schweren ersten Saisonwochen als Stimmungskanone im Team kaum verzichtbar. Nach der Genesung von Konstantin Klein muss der im Vorjahr für MZT Skopje in Mazedonien spielende Playmaker sicher auch nicht mehr wie bisher 35 Minuten pro Partie auf dem Parkett stehen.

Auf der Position zwei startet gewöhnlich der neben Adam Waleskowski als einziger aus dem Vorjahr im Team gebliebenen Mannschaftskapitän David McCray, obwohl unter dem Strich der Neuzugang Aaron Best länger auf dem Parkett steht. Der kanadische Nationalspieler, der vergangene Saison für Toronto in der G-League spielte und im Frühjahr beim Slam Dunk Contest der Liga seine Athletik unter Beweis stellte, haderte zwar bei seinen ersten Spielen im Ludwigsburger Trikot noch mit seiner Dreierquote, bewährte sich aber als guter Verteidiger und unterstützte auch Crawford im Spielaufbau.

Im Frontcourt mit Mbakwe und Klassen größer aufgestellt 

Vielseitigkeit, gute Spielübersicht und gute Verteidigung waren auch die Qualitäten von Malcolm Hill, die Trainer John Patrick veranlassten, den noch jungen US-Forward (er wird am Freitag 23) aus Bonn nach Ludwigsburg zu holen. Noch jünger ist das erst 21-jährige Talent Karim Jallow, der in der vergangenen Saison beim FC Bayern meist auf der Bank saß und jetzt als Leihgabe im Ludwigsburger Trikot mit seiner Athletik regelrecht aufblüht, obwohl er auf dem Flügel auch mit dem defensivstarken College-Rookie Kelan Martin um Spielzeit kämpfen muss.

Im Frontcourt kann sich auch Ex-Albatros Bogdan Radosavljevic nicht über fehlende Konkurrenz beklagen, denn die Ludwigsburger sind mit dem athletischen Trevor Mbakwe und dem Kanadier Owen Klassen in dieser Saison deutlich größer aufgestellt. Vor allem Mbakwe, der 2015 mit Bamberg Deutscher Meister wurde und bei der Wahl des besten Verteidigers nur knapp an ALBAs Cliff Hammonds scheiterte, ist eine echte Knaller-Verpflichtung. Nicht vergessen werden darf natürlich auch der mit seiner bis hinter die Dreierlinie reichenden Treffsicherheit unverwüstliche Adam Waleskowski.
 

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