Politikern gibt man nach ihrer Wahl gewöhnlich 100 Tage, um sich zu beweisen. Luka Pavicevic ist zwar kein Politiker, sondern der neue Cheftrainer von ALBA BERLIN. Trotzdem haben wir ihn nach 100 Arbeitstagen zum Interview gebeten.

Luka, mit dem Spiel in Badalona hat für ALBA nun auch die Europapokalsaison begonnen. Sind diese Spiele für Dich etwas Besonderes?

 

LP: Natürlich geht man etwas anders an diese Spiele heran als an ein Bundesligaspiel, aber unter dem Strich sind alle Spiele, egal ob national oder international, wichtig. Überall müssen wir danach streben, unser Bestes zu geben. Was den Europapokal interessant macht, ist, dass man dort mit verschiedenen Arten Basketball zu spielen konfrontiert wird. In der Türkei wird zum Beispiel ein ganz anderer Basketball gespielt als in Litauen. Genau das macht den speziellen Reiz dieser Spiele aus.

Wie würdest Du die Bundesliga im europäischen Kontext einordnen?

 

LP: Die Öffnung für die vielen jungen und hungrigen US-amerikanischen Collegespieler sorgt für einen schnellen und athletischen Spielstil in der Liga und eröffnet auch Clubs mit relativ kleinen Budgets die Chance, mit gutem Scouting und einem glücklichen Händchen Mannschaften zusammenzustellen, die mit den höher eingeschätzten Topteams der Liga konkurrieren können. Das macht die Bundesliga sehr unberechenbar. Es ist nicht leicht, in dieser Liga seine gesetzten Ziele zu erreichen.

 

Wie ist ALBAs Vorrundengruppe im ULEB Cup einzuschätzen?

 

LP: Joventut Badalona und Türk Telekom Ankara zählen mit ihren großen Investitionen sicher zu den Topfavoriten des gesamten ULEB Cups. In einer Gruppe, in der so die beiden ersten Plätze zumindest auf dem Papier schon vergeben sind, erwartet uns ein harter Kampf gegen die anderen Kontrahenten um den wichtigen dritten Platz. Siauliai, Guildford und Bosna stehen schließlich in ihren Ligen alle auf vorderen Tabellenplätzen. In dieser Gruppe als Dritter oder als einer der fünf besten Gruppenvierten die nächste Runde zu erreichen, wäre schon einmal ein erster Erfolg. Im Prinzip sollte ALBA stark genug sein, das zu schaffen. Aber der Ausfall gleich mehrer Spieler zu Beginn der Vorrunde sind ein großes Handicap.

 

Hat der Ausfall von Goran Jeretin ALBA weit zurückgeworfen?

 

LP: Ich sehe gar nicht einmal den Ausfall eines so wichtigen Spielers, der Goran Jeretin werden sollte, als unser größtes Problem an. Uns fehlen seit geraumer Zeit ja auch noch Johannes Herber und Dragan Dojcin. Außerdem hatten wir uns von Michael Bradley einiges erwartet. Wir beklagen somit nicht nur den Ausfall eines Leistungsträgers, sondern den gleichzeitigen Ausfall einer ganzen Reihe wichtiger Spieler für ziemlich lange Zeit. Das geht jetzt ja schon fast einen Monat und das verlangt den restlichen Spielern einiges ab.

 

Hast Du in Deiner Trainerkarriere schon einmal Vergleichbares erlebt?

 

LP: Nein, aber das hindert mich nicht daran zu glauben, dass wir diese Situation meistern werden, ohne unsere Saisonziele aus den Augen zu verlieren, wenn wir jetzt nicht in Panik verfallen, sondern konzentriert und ohne zu weinen weiterarbeiten. Irgendwann werden wir Ersatz finden und dann das angeschlagene Team stabilisieren können.

 

Ist Dir der Wechsel vom Spieler- zum Trainerdasein schwer gefallen?

 

LP: Wenn man 20 Jahre seines Lebens Spaß am Basketballspiel gehabt hat, ist es hart, damit Schluss zu machen. Manche sagen vielleicht, dass es ihnen nichts ausmacht, aber glauben mag ich das nicht. Mir ist das sehr schwer gefallen. Aber ich habe da einen kompletten Schlussstrich gezogen, spiele auch in meiner Freizeit nicht mehr Basketball. Nach nunmehr fünf Jahren als Coach spüre ich jetzt, wie meine Erinnerungen an meine Zeit als Spieler allmählich in den Hintergrund treten. Meine Tätigkeit als Coach lässt mir auch gar keine Zeit, viel an die Vergangenheit zu denken.

 

Ist es hilfreich für einen Trainer, wenn er früher ein guter Spieler war?

 

LP: Nein, das hilft Dir beim Coachen überhaupt nicht. Da musst Du ganz anders denken und handeln. Der einzige Vorteil ist, dass Du als ehemalig guter Spieler eher die Chance erhältst, einen Job als Trainer zu bekommen. Ich habe zum Beispiel vor fünf Jahren gleich als Head Coach angefangen, ohne vorher irgendwo als Trainerassistent gearbeitet zu haben. Das ging nur, weil man mich als Spieler kannte.

 

Noch einmal zurück zum ersten Heimspiel im ULEB Cup gegen Siauliai. Was erwartet uns da?

 

LP: Ich halte die Litauer für einen sehr unbequemen Gegner, der mit seiner Offensivstärke an guten Tagen über sich hinauswachsen kann. Uns bleibt zudem 48 Stunden nach dem schweren und wichtigen Auswärtsspiel in Bremerhaven kaum Zeit, uns auf dieses Spiel gegen Siauliai einzustellen. Zieht man dann noch unsere schwierige Personalsituation in Betracht, werden wir jede Unterstützung der Fans brauchen, um dieses Spiel zu gewinnen.