In ihrem letzten Spiel vor den eigenen Fans in der Mercedes-Benz Arena empfangen die Albatrosse am 27. Dezember ausgerechnet ihren „Lieblingsgegner“ – die Gießen 46ers. Gegen keinen anderen Gegner hat ALBA BERLIN in seiner Geschichte öfter gewonnen (63:9) und die letzten 24 Heimspiele verließen jedes Mal die Berliner das Parkett als Sieger. Diese Mal ist allerdings mit alles anderem als einer klaren Geschichte zu rechnen. Denn die Gießener um Ex-Albatros Ingo Freyer an der Seitenlinie und den frisch eingebürgerten John Bryant haben sich in dieser Saison mit ihrem Tempobasketball bereits bis weit in die Playoffplätze vorgeschoben.

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Der in Gießen gespielte Basketball war schon in den siebziger und achtziger Jahren unter dem im November gerade verstorbenen Professor Hannes Neumann immer etwas schneller als anderswo. Deshalb war es eigentlich keine Überraschung, dass die Gießener im Sommer 2017 bei der Trainersuche auf den Ex-Albatros Ingo Freyer stießen, der sich in den Jahren zuvor in Hagen als „Hohepriester des Tempobasketballs“ einen Namen in der easyCredit BBL gemacht hatte.

Gießens Tempobasketball und John Bryant sind kompatibel!

So wie früher Hagen rennt seitdem Gießen in der easyCredit BBL seinen Gegnern davon, indem die 46ers aus einer aggressiven Verteidigung heraus vorne nicht lange fackeln und beim ersten offenen Blick sofort auf den Korb werfen, bevor die gegnerische Defense sich überhaupt erst formieren kann. Wie alles im Basketball kann man das natürlich in Zahlen messen, denn je schneller der Abschluss gesucht wird, desto öfter wechseln in einem Spiel die Ballbesitze, was in der Kategorie „Pace“ addiert wird. In dieser früher stets von Hagen angeführten Rangliste der schnellsten Teams ist in der easyCredit BBL jetzt Gießen mit 77,5 Ballbesitzen pro Spiel die Nummer eins.

Umso größer war zu Saisonbeginn 2017 die Überraschung der Fachwelt, als die Gießen 46ers ausgerechnet den US-Center John Bryant unter Vertrag nahmen. Ingo Freyers Hochgeschwindigkeitsbasketball und der bei allem Respekt für seine technische Klasse und Versiertheit immer etwas langsame und schwerfällige 2,11 Meter lange Koloss John Bryant – war das überhaupt kompatibel? Der Blick auf die Tabelle, wo die 46ers auf einem Playoff-Platz stehen, und auch der Blick auf die individuellen Statistiken strafen alle Zweifler Lügen. John Bryant ist der Topscorer und beste Rebounder der Liga.

Hagens vierfacher Topscorer David Bell trifft jetzt für Gießen

Auf allen anderen Positionen finden sich bei den Gießenern aber Akteure die das Spiel gerne schnell machen. Mit David Bell hat sich im Sommer z. B. sogar ein Routinier den Gießenern angeschlossen, der schon von 2012 bis 2016 sehr erfolgreich das Hagener Spiel nach vorne getrieben hatte und in allen vier Jahren bis zur Hagener Insolvenz zu den jeweils vier besten Scorern der easyCredit BBL zählte. Nach zwei Jahren in Italien ist er jetzt zu seinem früheren Trainer in die Bundesliga zurückgekehrt und bildet bei den 46ers zusammen mit dem zwölf Jahre jüngeren US-Guard Siyani Chambers ein vielseitiges Aufbau-Duo.

Mit Max Landis und Jeril Taylor komplettieren zwei weitere US-Combo Guards den Gießener Backcourt. Letzterer spielte in der vorigen Saison eigentlich für Gießens zweite Mannschaft, machte seine Sache – als er wegen verletzter Stammspieler in der ersten Mannschaft aushelfen musste – so gut, dass er mittlerweile fest zum Bundesligakader gehört. Der extrem schnelle Max Landis war in der vergangenen Saison mit einer Quote von 47 Prozent Gießens sicherster Distanzschütze, ist aber auch mit seinen explosiven Zügen zum Korb sehr gefährlich. Außerdem versteht er es, John Bryant in der Zone in Szene zu setzen.

Brandon Thomas ist Gießens gefährlichster Dreierschütze

Auf dem Flügel dominiert mit den Allroundern Larry Gordon (der 31-jährige spielte von 2012 bis 2015 auch schon drei Jahre für Ingo Freyer in Hagen und war 2014 Top-Rebounder der easyCredit BBL) und Brandon Thomas (34) die geballte Erfahrung. Beide kommen zusammen auf über 60 Minuten pro Spiel, weil sie mit ihrer großen Vielseitigkeit auch auf den benachbarten Positionen vier bzw. zwei spielen und oft zusammen auf dem Parkett stehen. Der US-Amerikaner Thomas, der in früheren Jahren auch schon für die Artland Dragons und Bayern München spielte, ist in dieser Saison mit 54 Prozent (bei vier Versuchen pro Spiel!) Gießens bester Dreierschütze.

Für den Frontcourt sind bei sechs US-Akteuren auf den kleinen Positionen bei den 46ers keine Ausländerspots mehr übrig, was aber seit der Einbürgerung des eine bärenstarke Saison spielenden John Bryant natürlich überhaupt kein Problem mehr darstellt. Neben dem frischgebackenen Deutsch-Amerikaner überzeugen Power Forward Benjamin Lischka und der aus Tübingen nach Gießen gekommene Center Mahir Agva mit ihrem großem Einsatzwillen. Lischka ist dabei auch hinter der Dreierlinie korbgefährlich und Agva kann sich in der Zone sowohl mit dem Gesicht als auch mit dem Rücken zum Korb durchsetzen.