Handwechsel im vollen Lauf, die Step-Back-Dreier im Eins-gegen-Eins, der sichere Ballvortrag trotz Gegnerdrucks: Kann Maodo Lô alles ziemlich gut. Der Spielstil des Point Guards der Albatrosse ist maßgeblich von seinen Fertigkeiten im Dribbling geprägt, dem Ballhandling. Das hat sich Lô mit Hingabe und viel Willen auf den Freiplätzen und in den Hallen Berlins erarbeitet und bei seinen weiteren Stationen immer weiter verfeinert. Hier erzählt Lô selbst von seiner Liebe fürs Dribbeln.

Protokoll: Sebastian Schneider, Titelbild: Jan Buchholz

Dieses Feature ist Teil unseres Jahrbuchs 2020/2021 (hier im Shop erhältlich). Es ist eines von sechs Skills-Features. In den weiteren Artikeln dieser Reihe werden das Rebounding (mit Luke Sikma)das Post-Up-Spiel (mit Johannes Thiemann)das Passen (mit Lena Gohlisch)das Verteidigen (mit Ben Lammers und Fee Zimmermann), und das Werfen (mit Marcus Eriksson) behandelt. Die Features werden nach und nach auf unserer Website veröffentlicht.

"Wenn ich nicht Profi geworden wäre, würde ich das Dribbeln auf jeden Fall vermissen; auch das: Den Ball jeden Tag so viel in meinen Händen zu halten. Es ist wichtig, ein gutes Gefühl für den Ball zu haben, das Gefühl, dass du alles kontrollieren kannst. Dribbeln zu beherrschen erlaubt mir, meine Augen aufs Spiel zu lenken, mich auf andere Sachen als den Ball zu fokussieren. 

Selbstbewusstsein und Ballgefühl hängen sehr eng zusammen. Es gibt Spieler, die vielleicht nicht die athletischsten sind, nehmen wir zum Beispiel Stephen Curry von den Golden State Warriors. Er ist vielleicht nicht sehr explosiv, hat aber so ein starkes Dribbling und so einen exzellenten Wurf, dass er beides nutzen kann, um seine Gegenspieler fast immer zu überwinden. So eine Kombination öffnet einem Vieles.

Als ich um die acht Jahre alt war, habe ich überall einen Ball dabei gehabt. Egal wo ich hingegangen bin, zur Eisdiele oder zu meinem Court auf dem Hochmeisterplatz – ich habe gedribbelt. Ich habe am Ku’damm Ecke Adenauerplatz gewohnt, von dort bis zum Court habe ich immer geguckt, wie oft ich es schaffe, hintereinander durch die Beine zu dribbeln. Die Bürgersteige dort sind ziemlich uneben, das war besonders tricky. Irgendwann habe ich’s den ganzen Weg lang gekonnt. Ich glaube, das hat mir für mein Ballhandling extrem geholfen. 
 

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Foto: Jan Buchholz

Kobe Bryant auf dem Hochmeisterplatz

Auf dem Hochmeisterplatz wurde jeden Tag gezockt, da waren richtig gute Spieler, erwachsene Männer. Ich wollte mitmachen, aber sie haben mich nie gelassen, weil ich einfach noch zu klein war. Immer haben sie gesagt: nächste Woche. Und eine Woche später dasselbe. Ich bin trotzdem geblieben. Wenn die Großen spielten, habe ich am Spielfeldrand gedribbelt. Einmal kam Kobe Bryant mit seiner Entourage zum Zocken vorbei, die NBA-Legende war wegen eines Werbetermins in Berlin.

Ich hab dann bei DBV Charlottenburg gespielt, das war entspannt, Spaß. Ich weiß noch genau, wie wir Korbleger geübt haben. Viele, die da schon ein, zwei Jahre gespielt haben, konnten das noch nicht mit rechts und links, ich konnte es sofort. Sie haben mich super aufgenommen, haben sich gefreut, dass ich da bin. Viele von denen sind bis heute meine Freunde. Ich bin in der Jugend nicht in den Berliner Kader eingeladen worden, nicht in eine der Nationalmannschaften. Dafür war es bei uns nicht so strukturiert, ich konnte meinen Stil entfalten und kreativ mit dem Ball sein. Als ich 17 war hat mir ein Trainer bei einem Turnier gesagt: “Das ist kein Streetball hier!” Nur, weil ich durch die Beine gedribbelt habe. Das war das erste Mal, dass mir meine Art zu spielen, mein Ballhandling negativ ausgelegt wurden. Als sei es nicht richtig. Zu dem Zeitpunkt war mir das schon egal – ich hab einfach mein Ding gemacht.

Auf dem College an der Columbia University bin ich mit meinem Ballhandling gut klargekommen. Ich habe ganz gezielt daran gearbeitet, weil ich dachte, es könne später meine besondere Stärke sein. Gleichzeitig hatte ich auch einfach ein Gefühl dafür, einen Touch eben - ich kann das nicht ganz erklären. Bei meiner ersten Profistation in Bamberg wurde mir vieles beigebracht, es war tough mit Andrea Trinchieri – ein exzellenter Trainer, der einen hart coacht. Doch er hat meine Fähigkeiten unterstützt und versucht, sie als Waffen einzusetzen: das Dribbling, das One on One, etwas zu kreieren, die Schnelligkeit. Die anderen Guards - Zisis, Strelnieks, Causeur - waren andere Spielertypen: Deshalb hat mich Trinchieri nicht gebremst. Als Rookie war das für mich ein Traum, eine unfassbare Mannschaft, von der man so viel lernen konnte. 
 

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Foto: Camera4

Einer der besten Ballhandler Europas? Thomas Huertel!

Bei Bayern München habe ich im letzten Jahr die Starting-Point-Guard-Position gespielt, ich hatte also viel Verantwortung und den Ball oft in meinen Händen. Wie gesagt, die Summe der Spielminuten auf hohem Niveau bringt auch dein Ballhandling nach vorne. Was in der EuroLeague interessant ist: Teams funktionieren besser und Fehler werden schneller ausgenutzt. Aber die Guards, gegen die ich spielen muss, sind nicht unbedingt schneller oder stärker; du triffst allerdings auf viele Veteranen, die wegen ihrer Erfahrung top sind. 

Einer der besten Ballhandler, gegen die ich gespielt habe, ist Thomas Heurtel (zuletzt Spieler des FC Barcelona, Anm. d. Red.). Sein Ballhandling ist krass, dabei sieht er unscheinbar aus, ein Franzose mit einem Seitenscheitel. Man unterschätzt ihn leicht, doch er hat ein Streetball-Game, Crossover, Fakes mit der Schulter. Diese Leichtigkeit hat mich verblüfft. Ansonsten Sergio Rodriguez, weil er den Ball lange in der Hand hat, Mike James, Nick Calathes, Shane Larkin – wobei der so einen hektischen Speed hat, dass er nicht groß was mit dem Ball machen muss. Heute muss eigentlich jeder Spieler ein ordentliches Ballhandling mitbringen, man muss sich nur einen langen Kerl wie Anthony Davis von den Los Angeles Lakers angucken. 

Im Training ist beim Thema Dribbling jeder für sich selbst verantwortlich. Doch es gibt inzwischen einige Klubs mit Individualtrainern, die mit uns Guards daran arbeiten, vor, nach und während des Trainings; bei ALBA ist es Carlos Frade. Eine feste Routine habe ich nicht, ab und zu machen wir beispielsweise Übungen mit einem Tennisball. Aber es gibt eine Übung von Stephen Curry, die ich mag: Du hast zwei Bälle, dribbelst sie durch die Beine, vor dem Körper, hinter dem Körper, dann wieder durch die Beine zurück. Es ist am Anfang genauso kompliziert, wie es sich anhört, aber mit der Zeit kriegt man das hin. Diese Übung hilft mir immer ganz gut, wenn ich eine Weile nicht gespielt habe. 
 

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Foto: Jan Buchholz

Nicht nur Bälle, auch Böden fühlen sich unterschiedlich an

Während des letzten Sommers habe ich das erste Mal seit langem für ein paar Wochen keinen Basketball angefasst. Es dauert, um mein Ballhandling zurückzubekommen, auch als Profi behält man dieses Gefühl nicht einfach so. Erst nach ungefähr zwei Wochen intensivem Mannschaftstraining bin ich wieder so weit, dass sich der Ball in meinen Händen wirklich gut anfühlt und ich selbstbewusst bin. Es geht auch um den Rhythmus beim Dribbeln, den Ball unter großem Druck zu bringen. Das kannst du nicht simulieren. Du kannst perfekt in deinen Drills sein, aber im Spiel merkst du plötzlich, dass du dir auf den Fuß dribbelst. Dribbeln im Spiel ist etwas komplett anderes. Kleines Beispiel: In der EuroLeague wirst du über die gesamte Fläche des Spielfeldes von einem guten Verteidiger gehetzt, du wirst müde, musst aber weiter den Ball kontrollieren, gleichzeitig einen Spielzug ansagen, lesen, was du siehst. Das ist verdammt schwer.

Übrigens fühlen sich nicht nur Bälle, sondern auch Böden unterschiedlich an: Selbst in der Euroleague gibt es ein paar Parketts, die haben Löcher. Der Ball dotzt an der einen Stelle ganz anders auf als zwei Meter weiter. Das nervt extrem, wenn du dadurch einen Turnover fabrizierst. 

Bei Alba ist es für mich interessant: Es wird weniger gedribbelt, eher gepasst, gecuttet. Selbst im Spielaufbau versucht man, mit langen Pässen den Ball schnell Richtung Korb zu bringen. Ab und zu bringt etwa Luke den Ball, dribbelt auf den Flügel und gibt den Ball zurück zum Spielmacher. Recht untypisch für das, was ich zuvor gewohnt war. Nichtsdestotrotz, Kreativität ist gewünscht, das gefällt mir.”