Tim Schneider musste wegen eines Bandscheibenvorfalls lange zuschauen, seit dieser Saison ist der Power Forward aber wieder mittendrin. Auch dank seines treffsicheren Dreiers, viel Energie und seines bewussten Umgangs mit dem eigenen Körper.

Titelbild: Camera4, Text: Louis Richter

Tim Schneider weiß ganz genau, wie das ist. Draußen zu sitzen, am Spielfeldrand, in Jeans und Pulli, während die Mitspieler auf dem Parkett in Trikot und kurzer Hose um Rebounds kämpfen, Dreier werfen und Fastbreaks laufen. Im Januar 2020 erlitt der gebürtige Berliner einen Bandscheibenvorfall. Schneider fiel bis zum Saisonende aus und musste operiert werden. „Ich konnte meinen Fuß lange nicht richtig fühlen oder bewegen. Das ist aber sehr gut verheilt, direkt nach der Operation hat es bereits gute Anzeichen gegeben“, erzählt Schneider heute.

Beim Pokalsieg gegen Oldenburg und beim Finalturnier in München konnte er nur dabei zugucken, wie die Mitspieler das Double perfekt machten. Immerhin: Bei der ersten Party im Mannschaftsbus in München war er wieder direkt mittendrin und sogar der Herr über die Musikauswahl, die aus dem voll aufgedrehten Bluetooth-Lautsprecher dröhnte.
 

Schneider nutzte seine Chance

Rund sechs Monate sind seitdem vergangen und Schneiders Situation ist eine andere. Eine bessere. Denn der 23-jährige Power Forward ist nach seiner Vertragsverlängerung im Sommer wieder ein wichtiger Teil des Teams – auch auf dem Parkett. Auf rund zwölf Minuten Spielzeit bringt es Schneider sowohl in der EuroLeague als auch in der easyCredit BBL, dabei gibt er dem Team Energie und Gefahr von der Dreierlinie. Während den schweren Wochen, in denen bei ALBA zahlreiche Leistungsträger ausfielen, war Schneider verlässlich zur Stelle und auch beim Sieg im Pokal gegen Braunschweig war Schneider mit 16 Punkten und sechs Rebounds richtig gut drauf. „Durch die Verletzungen von so vielen wichtigen Spielern mussten ich und weitere junge Spieler wie Malte Delow mehr Minuten gehen – und ich denke, dass wir dabei einen sehr guten Job gemacht haben“, sagt Schneider rückblickend. „Wir haben gezeigt, wir sehr wir auf dem Court stehen und gewinnen wollen und dass wir das eben auch können.“
 

Das ALBA-Prinzip: Alle Spieler sind wichtig

Damit zahlt Schneider auf einen zentralen Aspekt der ALBA-Kultur ein: Jeder Spieler ist wichtig. Egal ob gestandener Veteran oder junges Talent, im Training werden alle Spieler von den Coaches gleich behandelt und in Situationen gebracht, in denen sie Verantwortung übernehmen müssen. „Selbst wenn du 16 bist, bist du im Training involviert und spielst jedes Fünf-gegen-Fünf mit. Das ist hier schon anders als bei anderen Teams“, erzählte der zurzeit verletzte Kapitän Niels Giffey vor dem Spiel gegen Baskonia bei MagentaSport. „So sind alle Spieler ready, sobald sie auf den Platz gerufen werden, und haben auch das Selbstvertrauen, direkt zu spielen.“
 

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Foto: Camera4

Über Teltow und Hohenschönhausen zu ALBA

Los ging es für Schneider mit dem Basketball damals beim RSV Stahnsdorf. Mit seiner Familie wohnte er in Teltow, während er später die Sportschule in Hohenschönhausen besuchte. „Ich erinnere mich vor allem an viele lange Fahrten in der S-Bahn. Die Schule war für mich damals am genau anderen Ende der Stadt“, sagt Schneider heute. Seit 2011 ist er nun Teil der ALBA-Familie. Über die JBBL und NBBL sowie über ProB-Einsätze im Trikot von LOK BERNAU empfahl sich Schneider für die Aufgaben im Profiteam. Am 4. November 2016 stand Schneider gegen Phoenix Hagen erstmals für ALBA in der Bundesliga auf dem Parkett. Und nebenbei studiert er auch noch am ALBA BERLIN College Sport- und Eventmanagement. „Für mich war immer klar, dass es nicht nur Basketball gibt und ich auch noch was für die Bildung außerhalb davon tun wollte“, sagt Schneider. Der Studiengang ist dabei genau so ausgelegt, dass er sich mit dem hohen Pensum des Profisports verbinden lässt: „Es ist einfach sehr gut auf das Leben als Sportler angepasst“, sagt Schneider. „Mein Fokus liegt schon auf Basketball. Deshalb braucht es einen Studiengang, der genau darauf ausgelegt ist – und ich glaube nicht, dass es da ein anderes Studium gibt, mit dem das bei mir klappen würde.“

So wurde Schneider auch während der Quarantänephase nicht langweilig. „Meine Eltern haben mir die Einkäufe vor die Tür gestellt. Ich habe die Zeit mit Netflix, Videospielen und der Uni rumbekommen“, erzählt er. Social Media nutzt Schneider nicht mehr, um Zeit totzuschlagen. Er hat alle seine Accounts gelöscht, er brauche das einfach nicht: „Ich habe auch schnell gemerkt, dass ich es einfach nicht vermisse. Auch nicht, wenn wir im Teambus sitzen und die anderen Jungs ihr Instagram checken.“

"Ich habe jetzt nun mal diese Schwachstelle, die mich begleiten wird, und deswegen muss ich dafür umso mehr tun" - Tim Schneider
 

Gutes Gefühl trotz hoher Belastung

Im gemeinsamen Teambus sitzen die Albatrosse derzeit dabei öfters. Die Anforderungen an Schneider und seine Teamkollegen sind in den letzten Jahren stetig größer geworden. Die Teilnahme an der EuroLeague sorgt für eine große Mehrzahl an Reisen und Spielen auf höchstem Niveau. Trotz der langwierigen Verletzungen steckt Tim Schneider den extrem intensiven Spielplan dabei bislang gut weg. Auch weil der zweimalige A-Nationalspieler im Training und in der Spielvorbereitung bewusst mehr macht: „Ich lege auf jeden Fall mehr Fokus darauf, mich gut zu dehnen und Extra-Krafttraining zu machen. Ich habe jetzt nun mal diese Schwachstelle, die mich begleiten wird, und deswegen muss ich dafür umso mehr tun“, sagt Schneider und fügt an: „Bisher klappt das zum Glück sehr gut.“

Seit einigen Wochen haben die Albatrosse dazu auch dauerhaft eine Musikbox mit in der Kabine und bei den Auswärtsfahrten im Gepäck. Alleiniger DJ ist Schneider dabei nicht, vielmehr läuft eine Teamplaylist, an der alle mitwirken können. Für Schneider ist das okay, er sei eh nicht festgefahren auf ein Genre und könne von Klassik bis Rap mit allem leben. Statt mit seiner Musikauswahl wieder mit guten Leistungen auf dem Court dem Team helfen zu können? Diesen Tausch nimmt er liebend gerne an.