ALBAs Rollstuhlbasketballerin Roli-Ann Neubauer hat es gerade nicht einfach: Sie vermisst ihre große Leidenschaft, den Basketball, und ihr Team. Derzeit müssen sich die ALBA-Rollis individuell fit halten, aber jetzt gibt es zumindest etwas neue Hoffnung für das Frühjahr: Die Rollstuhlbasketball Bundesliga plant, die Saison 2020/2021 mit einem verändertem Modus Mitte April zu starten.

Text: Louis Richter, Foto: Florian Ullbrich

Lange mussten die Rollstuhlbasketballer*innen von ALBA BERLIN warten, aber in Sachen Spielbetrieb gibt es nun Licht am Ende des Tunnels. Wie die Rollstuhlbasketball Bundesliga (RBBL) bekannt gab, soll die 2. RBBL am 17. April mit einem kleineren Teilnehmerfeld in die Saison starten. Neben den ALBA-Rollis haben sich auch die Teams aus Essen, Köln, Ulm und Zwickau für den Spielbetrieb angemeldet. Gespielt werden soll mit einer Hin- und Rückrunde, die zwei danach bestplatzierten Mannschaften steigen in die 1. RBBL auf, Absteiger wird es keine geben. „Ich bin sehr glücklich, dass es im April losgeht“, sagt Rollis-Coach Santiago Ibanez. „Wir gehen mit viel Vorfreude und ohne Druck in diese Spielzeit.“

Das sind auch für Roli-Ann Neubauer gute Nachrichten – denn sie ist süchtig. „Wenn man mich aufschneiden würde, würde man in meinen Venen viele kleine Basketbälle finden“, sagt die 36-Jährige. Bei der Berlinerin wirkt das Zitat nicht abgedroschen oder kitschig. Mit Fug und Recht kann sie behaupten, alles für den Basketball gegeben zu haben. Als 16-Jährige startete sie in Aschaffenburg eine sportliche Karriere im Fußgängerbasketball, die mit einer Deutschen Meisterschaft, einer Teilnahme am prestigeträchtigen College-Finalturnier March Madness mit der Liberty University und Einsätzen bei der Frauen-Basketball-Europameisterschaft 2007 in Italien so einiges zu bieten hat. Leider auch an Verletzungen.

Von den Fußgängerinnen zu den Rollis

Neubauers Krankenakte weist mehrere Risse ihrer Patellasehnen, einen Achillessehnenriss und zahlreiche gravierende Knieverletzungen auf. Neubauer versuchte immer wieder aufs Neue, sich fit zu machen. „2013 musste ich mir eingestehen, dass es nicht mehr geht“, erzählt sie. Ihr großes Verlangen nach dem orangfarbenen Leder stillt sie seitdem im Rollstuhl. „Als ich die U15 der ALBA-Mädchen trainiert habe, hatten die Rollis oft parallel zu uns ihre Einheiten. Ihnen dabei zuzuschauen, fand ich super spannend. Zuvor habe ich eh schon die Nationalmannschaft der Frauen im Rollstuhlbasketball verfolgt und habe es dann selbst einfach ausprobiert.“ Das Werfen und Passen, als Team zusammen auf dem Parkett zu sein – sie konnte und wollte es nicht lassen. Auch ein kniffliger Start konnte sie nicht vom Spielen abhalten: „Ich hatte zunächst überhaupt keine Kontrolle über den Rollstuhl. Ich fuhr nach links, obwohl ich nach rechts wollte. Das war komisch, aber auch eine tolle Erfahrung“, erzählt sie heute.

Zusammen mit ihrer Freundin Charmaine Callahan, ebenfalls eine ehemalige Nationalspielerin im Fußgängerbereich, die heute auch aufgrund von anhaltenden Verletzungen im Rollstuhlbasketball aktiv ist, machte Neubauer schnell Fortschritte. Gemeinsam mit Callahan wurde sie im Februar 2020 erstmals zu einem Lehrgang der deutschen Rollstuhlbasketball-Nationalmannschaft berufen. „Das Ziel ist es, sich dort fest zu etablieren“, sagt Neubauer. Dabei profitierten die beiden auch von der langjährigen Erfahrung im Fußgängerbereich: „Charmaine und ich können Spielzüge schnell nachvollziehen und unsere eigenen Ideen einbringen.“
 

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Roli-Ann Neubauer in Aktion. Foto: Florian Ullbrich

Erfolgreich mit den ALBA-Rollis

Auch bei den ALBA-Rollis erlebt Neubauer erfolgreiche Zeiten. In der vergangenen Saison konnte sie mit der ersten Mannschaft den Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt machen, die zweite Mannschaft stieg in die Regionalliga auf. Auch ein Verdienst von Coach Santiago Ibanez, der dementsprechend auf ein erfolgreiches erstes Jahr als ALBA-Rollstuhlbasketballtrainer zurückblicken kann: „Bereits im letzten Jahr haben wir mit Zweitligatempo gespielt. Auch in Sachen Training waren wir bereits auf Zweitliganiveau unterwegs.“ Auf dieses Tempo wollen die Albatrosse in der neuerlichen Saisonvorbereitung auch wieder kommen. Aufgrund der Corona-Bestimmungen konnte das Team zuletzt nämlich nicht mehr zusammentrainieren: „Wir werden uns dementsprechend zuvor als Team wieder finden müssen. Dafür sind die Trainings und gemeinsamen Hallenzeiten natürlich enorm wichtig“, sagt Neubauer. Die Spieler*innen müssen sich derzeit alleine fit halten: „Sie arbeiten mit Gewichten oder mit Handbikes. Es ist extrem wichtig, dass sie weiter Sport machen“, sagt Coach Ibanez.

Neubauer hofft nun „zutiefst“, dass es im April losgeht. Dass sich die Spielzeit so bis in den Juni ziehen könnte? „Alles super“, sagt Neubauer. Kein Problem, Hauptsache Basketball! Und auch Ibanez sagt: „Wir freuen uns einfach darauf, spielen zu können. Die Hauptsache bleibt aber, dass wir alle gesund sind und es auch bleiben.“

Sportliches Neuland

Für Neubauer selbst ist das Zweitliganiveau Neuland, sie werde „schauen müssen, wie es wird“. Neben der rein sportlichen Suchtbefriedigung und der Lust am Wettkampf schätzt sie am Rollstuhlbasketball vor allem, was der Sport ihr außerhalb des Spielfeldes vermitteln konnte: „Mit den Rollstuhlfahrern in Kontakt zu treten und mitzubekommen, wie sie ihren Alltag bestreiten. Das hat mir die Augen geöffnet. Ich habe beim Laufen oft Schmerzen, aber ich kann es noch. Viele meiner Teammates müssen ganz andere Hindernisse bewältigen.“

Kein Hindernis werden dagegen die langen Auswärtsfahrten, die der Spielbetrieb mit sich bringt. Nach Essen sind es beispielsweise 530 Kilometer, mittags wird gespielt, und nachmittags geht es schon wieder zurück. Nicht ohne. Aber, das versichert Neubauer, dank der Liebe für das Spiel auch kein Problem. 
 

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Roli Ann-Neubauer (l.) und Coach Santiago Ibanez (r.). Foto: Florian Ullbrich