Ein Jugendprogramm, das erwachsen wird: Mit Beginn der neuen Saison wird die ALBA JUGEND 18 Jahre alt – und feiert deshalb das ganze Jahr über mit verschiedenen Aktionen und Ereignissen ihre Volljährigkeit. Was seit der Gründungssaison 2005/06 so alles passiert ist, wie aus einem Profisportclub das größte Basketball-Nachwuchsprogramm des Landes wachsen konnte und wie das Jubiläumsjahr begangen wird, darüber spricht Henning Harnisch, ALBAs Vizepräsident und Leiter der ALBA JUGEND, hier im Interview.

Henning, was verbindet die Serie Grey’s Anatomy, das Kyoto-Protokoll und den Song „Durch den Monsun“ von Tokio Hotel mit der ALBA JUGEND?
Ich würde mal vermuten, die haben alle das gleiche Geburtsjahr 2005. Richtig?

Genau, alle werden dieses Jahr 18 Jahre alt. Angela Merkel ist damals Kanzlerin geworden und Joseph Ratzinger wurde zum Papst gewählt.
Da sieht man: Das war ein vielschichtiges Jahr, mit Ereignissen, die bis heute wichtig sind.

Bei Personen wird der 18. Geburtstag groß gefeiert. Bei Organisationen ist das eher ungewöhnlich. Warum feiert die ALBA JUGEND ihre 18 Jahre? Konntet ihr die 20 nicht mehr abwarten?
Ich glaube, das passt einfach gut zu dem, wer wir sind: Wir denken uns viele Sachen aus, die manchmal vielleicht erst mal ein bisschen neben der Spur sind. Aber genau das drückt unseren Geist aus: Es macht Spaß und trifft unsere inhaltliche Arbeit. Das machen wir seit 18 Jahren so, und jetzt sagen wir: Wir sind volljährig, und das feiern wir! Wir wollten die Gelegenheit nutzen, uns zu sammeln, zurück- und vorauszublicken. Natürlich hätte man das auch nach 20 Jahren machen können, aber es ist ja schließlich die ALBA JUGEND.

Dann lass uns erst einmal zurückblicken: ALBA hat in den 90ern und 2000ern lange mit TuS Lichterfelde kooperiert und war damit sehr erfolgreich. Wie kam die Idee auf, dass es eine eigene Nachwuchsabteilung braucht?
Man muss wirklich sagen, das war jahrelang eine tolle Partnerschaft zwischen TuSLi und ALBA. Aber irgendwann kam die Frage auf: Was wäre, wenn die Nachwuchsarbeit unter unserem eigenen Namen läuft? Insbesondere hier im Prenzlauer Berg, in Ostberlin, in einer Gegend der Stadt, die bis dahin relativ basketballfrei war. Was wäre, wenn wir uns genau hier einpflanzen? Und das hat den Startschuss gegeben.

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Wenn Marco Baldi von den Anfängen der ALBA-Profis erzählt, gibt es oft die legendäre Geschichte von dem Schuhkarton, in dem sich alles befunden hat, was er zum Start zur Verfügung hatte. Gab es in der ALBA JUGEND auch einen Schuhkarton?
Einen Schuhkarton nicht, aber Marco war natürlich auch damals der Schlüssel: Ich bin in dieser Zeit als Teammanager bei ALBA mit der Idee zu einem eigenen Nachwuchsprogramm schwanger gegangen und war dann mit ihm bei einem Auswärtsspiel in Podgorica. Dort hab ich ihm bei einem Kaffee die Idee vorgestellt. Marco hat dann ein paar kluge und unangenehme Fragen gestellt, aber auch gemerkt: Da ist Leidenschaft. Also hat er gesagt: Wir machen das. 

Wie ging es dann los?
Wir sind sehr schnell gewachsen. Die Kernidee lag darin, dass wir uns im Prenzlauer Berg vernetzen und Partnerschaften mit den Grundschulen schließen. Wir hatten früh die Idee eines Gesamtberliner Basketballkonzepts, in Freundschaft mit den anderen Vereinen und vor allem mit der Idee des Schulbasketballs. Wir sind dann zusammen mit den Schulen gewachsen und haben erste Ideen entwickelt, wie beispielsweise die Grundschulliga oder später dann die Oberschulliga. 

Fast 2000 Spieler:innen, rund 120 Coaches, etwa 90 Teams und ungefähr 10.000 Kinder, die sich Woche für Woche in Kita, Schule und Verein bewegen: Heute ist ALBA der größte Basketballclub des Landes. War das schon damals das Ziel?
Nein, wir waren nicht größenwahnsinnig. Uns hat einfach die Arbeit Spaß gemacht, etwas Neues aufzubauen. Ich vergleiche das gerne mit einem Start-Up aus dem Sozialen, das eine gute Idee hat und dann schnell groß wird. Wir haben früh erkannt, dass Ehrenamtsstrukturen, auch wenn sie viel Gutes leisten, in diesem Maßstab nicht wirklich eine Perspektive bieten. Die Strukturen des Proficlubs mit seinem Hauptamt waren für uns sehr wichtig, um da hineinzuwachsen. 

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Fünf Deutsche Meisterschaften mit der NBBL, drei mit der JBBL, eine mit der WNBL, dazu Dutzende Bundesliga- und Nationalspieler:innen, die in der ALBA JUGEND ausgebildet wurden: Was macht ALBA in der Nachwuchsarbeit richtig?
Natürlich ist es toll, Erster zu werden. Aber wenn es um die Entwicklung von Spieler:innen geht, ist das erst mal relativ. Analog zur Basisarbeit gab es auch im Leistungssport bei uns immer schon einen wachen Geist, wie man in dem Bereich besser werden kann. Wir hinterfragen ständig kritisch unsere eigene Arbeit. Und man braucht natürlich fähige Leute. Ein Schlüsselmoment war, als Himar Ojeda und Raúl Rodriguez kamen und sich alles angeschaut haben. Sie waren total begeistert und kamen zum richtigen Zeitpunkt. Natürlich war auch Aíto, wie er die Talente entwickelt und eingesetzt hat, ein Geschenk. Darüber hinaus fragen wir uns aber genauso: Wie können wir eigentlich die Jugendlichen im Basketball halten, die es nicht in die NBBL oder WNBL schaffen?

Was macht ALBA da in der Nachwuchsarbeit anders?
Wir haben gemerkt: Hier im Prenzlauer Berg, in einer bürgerlichen Nachbarschaft, ist es eine ganz andere Arbeit als zum Beispiel im Wedding. Wir wollen aber für Chancengleichheit sorgen. Das wird in den Stadtteilen, in denen Kinder nicht so privilegiert aufwachsen, durch ein Miteinander zwischen Kita, Grundschule und Sportverein möglich. Die Ganztagsschule ist da die große Chance und der Schlüssel. Deshalb haben wir nach und nach in der ganzen Stadt in verschiedenen Sozialräumen eine Rolle gespielt, im Märkischen Viertel, in Spandau und vor allem in der Gropiusstadt. Da sind wir Stück für Stück hineingewachsen, haben neue Perspektiven und unterschiedliche Menschen kennengelernt, die nicht unbedingt aus dem Sportbereich kommen: Leute aus der Bildung, dem Sozialen, der Stadtentwicklung, vom Quartiersmanagement, aus den Krankenkassen. Wir sagen nie: Wir sind so toll, lasst uns in Ruhe. Im Gegenteil: Wir suchen immer den Dialog und wollen lernen. Das hat unsere Vereinsidentität enorm geprägt und unterscheidet uns sicherlich auch von anderen. 

Kannst du denn drei Projekte aus 18 Jahren ALBA JUGEND nennen, die für dich besonders wegweisend waren?
Der Kern von allem ist für mich die Grundschulliga: Die ist einerseits Sinnbild dafür, wie wir Gemeinschaft schaffen durch den Sport in der ganzen Stadt. Und andererseits ein niedrigschwelliger und schöner Einstieg für alle in unseren Sport. Eine weitere Sache, bei der wir uns vielleicht auch mal mehr auf die Schulter klopfen könnten, ist die Initiative Körbe runter. Mittlerweile ist es in ganz Deutschland normal, dass Kinder auf höhenverstellbare Körbe spielen können. Aber das war es bis zu unserer Initiative nicht. Und erwähnen muss man natürlich auch ALBAs tägliche Sportstunde, unsere YouTube-Mitmachsendungen, die uns in der Corona-Pandemie noch einmal ganz anders zugänglich gemacht haben für viele Leute. Wenn ich heute durchs Land fahre, sprechen mich immer noch alle darauf an und sind total dankbar.

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Und drei Orte, die für 18 Jahre ALBA JUGEND stehen?
Als Erstes natürlich unsere ALBA-Jugendhalle: Auf dem Gelände der Grundschule am Kollwitzplatz im Prenzlauer Berg stand eine DDR-Turnhalle leer. Unser damaliger Präsident Dieter Hauert war wie unser heutiger Präsident Axel Schweitzer ein total prägender Typ, auch für die Schaffung der Jugendhalle. Deswegen heißt sie bei mir auch Dieter-Hauert-Halle. Als Zweites ist es stellvertretend für so viele Partnerschulen in ganz Berlin die Hausburgschule in Friedrichshain. Die Leute wie der Sportlehrer Benito Barreras, der leider vergangenes Jahr verstorben ist, haben dort so viel Gutes hergestellt mit ihrer Begeisterung. Und der dritte ist ein größerer Ort: die Gropiusstadt, die zum Modellort unserer Sportidee geworden ist, wie wir Zugänge zu Bewegung schaffen, gerade in sozial benachteiligten Gegenden. Deshalb engagieren wir uns dort und haben mit ALBA Gropiusstadt sogar einen eigenen Verein gegründet. 

Welche drei Personen sollte man in Verbindung mit 18 Jahren ALBA JUGEND auf jeden Fall kennen?
Mit drei Namen ist es da nicht getan. Da könnte man jetzt endlos Leute aufzählen, angefangen bei Urgesteinen wie Nicholas Behne und Marius Huth, die als neugierige und fähige, aber auch lustige Menschen für mich der Inbegriff der ALBA JUGEND sind, über prägende Coaches wie Konstantin Lwowsky oder Henrik Rödl im Leistungssport, wie Stephie Süß im Mädchenbasketball oder Lena Flöttmann im Kitabereich, bis hin zu Daniel Endres, der hier in seinen Leitungsfunktionen eine ganz neue Ordnung hineingebracht hat. Aber das wird der Fülle an freundlichen, guten Menschen natürlich überhaupt nicht gerecht, die hier über all die Jahre mit diesem Pioniergeist, immer Neues zu entdecken, so viele gute Dinge bewirkt haben.

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Welche Dinge wollt ihr denn als Nächstes bewirken? Wie geht es weiter in die nächsten 18 Jahre?
Wir wollen Bildung und Bewegung noch enger zusammendenken: An der Albert-Gutzmann-Schule im Wedding sind wir jetzt in unser viertes Jahr als Freier Träger für das Ganztags- und Hortprogramm gestartet. Das wollen wir hier in der Stadt noch weiter ausbauen. Noch so ein wichtiger Name: Philipp Hickethier hat da ganz viel zu unserer Entwicklung als Bildungsakteur beigetragen. Und gleichzeitig fordert der Ganztag ein neues Miteinander von Schulsport und Vereinssport: Wir arbeiten daran, unter der Woche den Vereinssport noch stärker in die Schule einzubauen. Und auf der anderen Seite werden wir künftig an den Wochenenden und Ferien als Verein noch mehr Angebote schaffen. Wir wollen da weiterhin Neues wagen und uns entwickeln. Man kann nicht einfach nur das verwalten, was man schon hat.

Aber jetzt wird erst mal gefeiert. Was ist geplant?
Den Startschuss für das Jubiläumsjahr gab es schon bei unserem internen ALBA-Saisonauftakt mit den Teams und Mitarbeiter:innen. Und jetzt wollen wir 18 Ereignisse aus der ALBA JUGEND, die in dieser Saison stattfinden, ein bisschen schmücken mit der Idee: die Grundschulliga, Größe zeigen, Kitasport-Events … Unsere Jubiläumsshirts sind schon im Umlauf. Und als wichtiges Bergfest des Jahres ist natürlich eine Party mit vielen Ehemaligen geplant. Vielleicht gibt es auch eine kleine Publikation, in der wir die ganzen Themen und Geschichten noch mal zum Ausdruck bringen. 

Dann noch zum Abschluss die Frage: Was hast du eigentlich selbst so mit 18 Jahren gemacht?
Oha. Ich hatte da gerade ein Jahr in der Highschool hinter mir und war in Marburg in der elften Klasse. Ich hab beim MTV Gießen Bundesliga-Basketball gespielt, bin mit meinem Opel Kadett über die B3 zwischen Gießen und Marburg zum Training gefahren, hab irgendwo in Süddeutschland mein erstes Länderspiel gegen Großbritannien gemacht, war happy und ein ziemlich schlechter Schüler.