Es hat ein bisschen etwas Sehnsüchtiges, wie Martin Hermannsson da im Türrahmen im ALBA-Trainingszentrum steht. Aus dem Behandlungsraum heraus guckt der isländische Guard hinein in die Trainingshalle. Sein Trainer, Coach Aito, erklärt dort gerade Hermannssons Teamkollegen einen Spielzug, anschließend wird er durchgespielt und einstudiert. Hermannsson hingegen humpelt zurück in den Behandlungsraum.

Dass Verletzungen zum Basketball dazugehören, ist nichts Neues. Und doch ist die Verletzungssituation bei ALBA dieser Tage eine außergewöhnliche: Von elf Profispieler, mit den man in die Saison gestartet war, fielen in den vergangenen Wochen gleich drei langfristig aus. Joshiko Saibou schlägt sich seit der letzten Saison mit einem hartnäckigen Ödem im Fuß herum, Peyton Siva verletzte sich vor einem Monat an Rippe und Lunge und Martin Hermannsson erlitt in Bursa vor knapp drei Wochen einen Bänderriss am Sprunggelenk. Drei Verletzungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten und doch eines gemeinsam haben: Sie halten unser Guards vom Spielen ab. Was also machen unsere Verletzten, anstatt zu spielen? Und wie ist es eigentlich so, das Verletztsein? Zumindest was die zweite Frage angeht, ist das Trio sich einig: Verletzt zu sein ist ziemlich öde und somit vor allem eine Geduldsprobe.
 

Am längsten gedulden muss sich Joshiko Saibou. Ein halbes Jahr ist es mittlerweile her, dass dessen Fuß zum ersten Mal Probleme bereitete. Mal waren sie so gering, dass Saibou trotzdem spielen konnte, mal so akut, dass nicht mal Joggen drin war. In den Sommermonaten habe er nur Individualtraining gemacht, erinnert Saibou sich: „Die ersten Wochen habe ich nur auf dem Fahrrad gesessen und im Sitzen Krafttraining gemacht und gedribbelt.“ Inzwischen trainiert Saibou wieder viel mit ALBA-Individualtrainer Carlos Frade und auch Teile des Mannschaftstrainings machte er zuletzt mit. Die, in denen es keinen Körperkontakt gibt und nicht mit voller Intensität trainiert wird.

Genauso Peyton Siva. Seitdem dieser im Spiel gegen Ludwigsburg ein Knie auf den Brustkorb bekommen hat sind inzwischen gut vier Wochen vergangen. Auch er arbeitet inzwischen wieder viel mit Frade und absolviert das kontaktlose Mannschaftstraining. „Ich habe die ersten Tage viel mit unserem Teamarzt Moritz Morawski gesprochen“, erzählt Siva. Obwohl dieser feststellte, dass die Verletzung keine dramatische oder gar nachhaltige war, verordnete er Siva eine Pause. „Die erste Woche durfte ich überhaupt nichts machen“, sagt dieser und ergänzt: „Ich konnte nicht schlafen und den Oberkörper auch sonst nicht so richtig bewegen.“ Statt zum Training mit den Kollegen ging es für Siva zur Physiotherapie. Selbst jetzt gehe er weiter dreimal wöchentlich zu den Behandlungen, erzählt Siva. „Ich kriege Massagen im Nacken, dem Rücken und den Muskelgruppen rund um die Rippen herum. Damit die Muskeln nicht zu hart werden, sondern entspannt bleiben“, sagt der Guard. Auch Saibou und Hermannsson werden mehrmals wöchentlich behandelt.
 

Hinzukommen bereits erwähnte Trainingseinheiten mit Frade und die Anwesenheitspflicht beim Mannschaftstraining. „Im Grunde hast du, wenn du verletzt bist, mehr zu tun als, wenn du fit bist“, sagt Saibou. Und doch erzählen sowohl er als auch Siva und Hermannsson von einer Langeweile, die Verletzungen mit sich bringen. „Du musst viel dein eigenes Ding machen“, sagt Siva und ergänzt: „Jeden Tag das gleiche: Statt Teamtraining musst für dich alleine Einzel- und Krafttraining machen.“ Immer wieder Dribbel-, Pass- und Wurfübungen mit Frade. Zwar ist der auf seinem Gebiet besonders gut und auch jemand, der sich mit viel Kreativität immer neue Übungen einfallen lässt, dennoch wird selbst die abwechslungsreichste Einzelarbeit irgendwann von einer Trockenheit und Einsamkeit geprägt.

Hinzukommt, dass man die Heimspiele nur von der Seitenlinie verfolgt und Auswärtsfahrten in der Regel gar nicht mit antritt. Statt mit dem Team in Zagreb, Limoges oder Krasnodar zu spielen, müssen die Spiele im Fernsehen geguckt werden. „Ich hasse es, mir die eigenen Spiele von der Couch aus anzuschauen“, sagt Siva und erzählt, dass er dem gesammelten Frust mitunter durch Schimpftiraden in Richtung des TV-Gerätes freien Lauf lässt. Helfen zu wollen, aber nicht helfen zu können, das scheint das vielleicht Schwierigste am verletzungsbedingten Aussetzen zu sein.
 

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Ähnlich schwierig sei es, laut dem Verletztentrio, geduldig zu bleiben. Nichts zu überstürzen, sondern den richtigen Moment abzupassen, in dem man wieder voll mitwirken kann. Saibou spricht davon, ständig in sich hineinfühlen zu müssen und auch Siva sagt, es sei wichtig zu erkennen, „wie der Körper auf welche Belastung reagiert.“ Er selber sei bislang meist zu früh von seinen Verletzungen zurückgekommen. „Aber so langsam habe ich gelernt, dass das nicht ideal ist und dass man sich die Zeit nehmen sollte, um wieder 100 Prozent fit zu werden.“ Hilfreich hierbei ist nicht nur die enge Abstimmung mit Teamarzt Morawski, der die Spieler bei ihrem Genesungsprozess eng begleitet, sondern auch die Tatsache, dass den verletzten Akteuren zumindest bei ALBA keinerlei Druck gemacht wird, verfrüht zurückzukommen.

So konnten sich Saibou, Siva und Hermannsson in aller Ruhe auf den zwar langweiligen und eintönigen, aber auch wichtigen Genesungsprozess konzentrieren. Alle Beteiligten positiv stimmt hierbei, dass dieser Prozess zumindest bei Siva und Saibou inzwischen deutlich fortgeschritten ist. Während Hermannsson durch seinen Bänderriss noch einige Wochen Geduld haben muss, hoffen seine beiden Leidensgenossen auf ein baldiges Comeback nach der Länderspielpause.
 

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