In der aktuellen Phase der Albatrosse mit zumeist drei Spielen pro Woche und vielen verletzten Leistungsträgern ist die medizinische Abteilung bei ALBA BERLIN mehr gefragt denn je. Wir haben uns mit dem leitenden Teamarzt Dr. Moritz Morawski über das Verletzungsrisiko bei hoher Belastung, Möglichkeiten der Vorbeugung und die generellen Aufgaben der ALBA-Teamärzte unterhalten.

Moritz, was sind die Aufgaben eines Teamarztes?

Die sind deutlich vielfältiger, als man zunächst denken würde. Natürlich geht es um die Betreuung direkt bei den Spielen. Dazu kommt die Diagnostik, die Behandlung und die Betreuung, bis der Spieler wieder auf dem Spielfeld steht. Und was im Zuge des Wachstums unseres Programms immer wichtiger wird, ist die Organisation. Wir wollen, dass alle Spieler, auch wenn sie auf Reisen sind, optimal behandelt werden. Das alles gilt es zu organisieren und dementsprechend mit den Leuten zu sprechen, die die Behandlung übernehmen.

Nehmen wir mal das Beispiel Marcus Eriksson, der sich während eines Spiels verletzt hat: Was sind in der Folge Eure Aufgaben und wie läuft der Prozess ab, bis er wieder fit ist?

Er ist auf dem Feld umgeknickt und konnte anschließend nicht mehr auftreten. Danach begannen sofort die Maßnahmen vor Ort: Kompression, Kühlung und das Hochlagern des Fußes. Am nächsten Tag haben wir sofort ein MRT und die Erstellung eines Röntgenbilds veranlasst, um herauszufinden, was er hat. Dabei zeigten sich die schweren Verletzungen an Innen- und Außenband. Dann wird der Physiotherapeut kontaktiert, der die Reha plant. Die erste Maßnahme ist die Schwellungsreduktion. Sprich: Das permanente Hochlagern und die Lymphdrainage. Danach geht es um die Mobilisation des Gelenkes und die langsame Aufbelastung, sobald die Bandstrukturen wieder eine gewisse Stabilität zulassen. Außerhalb der Behandlung geht es zudem um die permanente Stabilisierung. Bei Marcus haben wir anfangs einen Walker und Gehstützen verwendet, um die Belastung vom Knöchel fernzuhalten. Unser Partner Bauerfeind hilft uns mit seinem sportmedizinischen Sortiment bei diesen Prozessen sehr und steht uns rund um die Uhr zur Verfügung. Derzeit befindet Marcus sich im Belastungsaufbau, die Bandstrukturen beginnen wieder eine Stabilität zu entwickeln, deshalb können wir den Fuß jetzt behutsam wieder an die Belastung gewöhnen. Der letzte Schritt ist, die basketballspezifische Kraft und Fitness wiederherzustellen.

Was sind für einen Profi-Basketballer die größten Schwierigkeiten beim Versuch, nach einer Verletzung wieder zurückzukommen?

Bleiben wir mal beim Beispiel von Marcus Eriksson: Er trifft ohne Gegenspieler unfassbar sicher von der Dreipunktelinie, von 259 Würfen zum Beispiel 254. Er sagt aber, dass für ihn die Stabilität beim Wurf das entscheidende sei. Wie er abspringt, wie er landet und welche Ruhe er im Oberkörper hat. Wenn in diesem Konstrukt etwas nicht funktioniert, weil zum Beispiel die Beinkraft oder Spritzigkeit noch nicht da ist, trifft er nicht mehr so gut. Das ist die Schwierigkeit bei so einem Sport: Es geht um Nuancen. Und die können darüber entscheiden, ob der letzte Wurf des Spiels in den Korb geht oder nicht.

Wie ist der Stand bei uns im Profiteam?

Mit Ben Lammers, Simone Fontecchio, Lorenz Brenneke und eben Marcus Eriksson laborieren gleich vier Spieler an Knöchelverletzungen, die durch das Umknicken im Training oder Spiel entstanden sind. Teilweise mit und teilweise ohne Gegnerkontakt. Dadurch haben wir für die vielen Spiele, die derzeit anstehen, weniger Spieler zur Verfügung, was die Situation nochmal verschärft, da die Belastung für die fitten Spieler entsprechend höher wird. Eine hohe Belastung erhöht auch das Verletzungsrisiko.
 

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Stehst du dementsprechend auch in Sachen Belastungssteuerung im Austausch mit dem Trainerteam?

Der Kontakt mit den Trainern besteht permanent, auch bezüglich Einsatzzeiten. Wir tauschen uns aus und der Coach versucht, dass ein Spieler nicht dauerhaft auf dem Parkett steht. Aito ist sehr gut darin, die Zeiten zu dosieren, aber es ist situationsbedingt teilweise trotzdem schwer zu planen. Am Ende wollen wir das Spiel auch gewinnen und wenn ein bestimmter Spieler in dieser Situation auf das Feld muss, dann ist das so. Aber wir versuchen natürlich, alles daran zu setzen, weitere Verletzungen zu vermeiden. Derzeit spielen wir fast alle zwei Tage. Wir haben 13 Spiele im Dezember. Das ist eine so hohe Belastung, dass wir relativ wenig Einfluss nehmen können.

Gibt es Spieler, die stärker belastet werden können als andere?

Es gibt definitiv Spieler, die robuster sind als andere. Ein Beispiel: Luke Sikma. Der war in all der Zeit, die er jetzt schon bei ALBA ist, noch nie verletzt. Er ist nur einmal umgeknickt und war dennoch am nächsten Tag wieder spielfähig. Luke ist aber auch ein Vollprofi, der seinen Körper sehr gut einschätzen kann.

Was kann man zur Vorbeugung von Verletzungen tun?

Dafür tun wir eine Menge. Entscheidend bei der Regeneration sind eine gute Ernährung mit der Zunahme von ausreichend Flüssigkeit und Mineralien, ein gutes Cooldown direkt nach der Belastung und viel Schlaf und Erholung. Seit dieser Saison ist mit Sebastian Böhm ein zusätzliche Assistenz-Athletiktrainer dabei, der sich um diese Themen intensiv kümmert. Außerdem arbeiten wir mit Blutuntersuchungen um festzustellen, ob eventuell ein Mangel an bestimmten Elektrolyten vorliegt und ob wir daran etwas verbessern können. Da gerade aber auch das Schlafen und das Runterkommen sehr wichtig sind, sind diese permanenten Auswärtstrips derzeit umso ermüdender, weil die Regeneration darunter leidet. Das Optimum an effektiver Vorbeugung können wir derzeit also nicht erreichen, das lassen die Umstände nicht zu.

Wie ist die medizinische Abteilung bei ALBA BERLIN aufgebaut?

Die medizinische Abteilung wird immer besser und größer, auch weil der Verein immer professioneller wird. Unser Ziel ist es, neben dem Männer-Profiteam auch unsere Frauen in der zweiten Bundesliga und den Jugendleistungsbereich, also NBBL, JBBL und WNBL, medizinisch optimal zu versorgen. So dass keiner durch das Raster fällt und jeder im Falle einer Verletzung einen Ansprechpartner hat. Dafür sind mittlerweile auch eigene Physiotherapeuten für die Jugend da, die bei jedem Training und Spiel in der Halle sind. Dazu kommen Athletiktrainer, Ernährungsberater und weitere Ärzte – denn ich mache das hier natürlich nicht alleine! Wir sind als Team dauerhaft in Kontakt, über Telefonate oder WhatsApp-Gruppen. Außerdem arbeiten wir mit einer Software, in der wir permanent alle neuen Informationen wie Verletzungen oder Behandlungserfolge eingeben, so dass alle Mitglieder des Teams immer auf dem neuesten Stand sind.

Welche Partnerschaften bestehen im medizinischen Bereich?

Wir arbeiten seit Jahren mit dem Zentrum für Sportmedizin im Unfallkrankenhaus zusammen, das ist ein ganz wichtiger Partner, weil wir dort die Möglichkeit haben, in Notfällen sieben Tage die Woche rund um die Uhr eine optimale Betreuung zu bekommen. Das gilt auch für die Jugendspieler. Wenn sich ein Spieler bei einem Auswärtsspiel verletzt und zurück nach Berlin reist, kann er noch nachts von den Kollegen oder mir behandelt werden, so dass sofort eine Diagnose vorliegt und die Therapie losgehen kann. Dazu kooperieren wir mit der Praxis Ortho Eins in der Clayallee von meinem Kollegen Gert Schleichter. Ich arbeite neben der ALBA-Tätigkeit sowohl im UKB als auch bei Ortho Eins und kann so alle Bereiche optimal verbinden. Außerdem haben wir eine Partnerschaft mit der Discus Physiotherapie. Sie setzen viele Therapeuten bei uns ein, die unsere Spieler in der Halle oder in ihren Praxisräumen behandeln. Seit vielen Jahren besteht auch eine Kooperation mit dem Internisten Elmar Gieseke und dessen Kantpraxis. Ein weiterer wichtiger medizinischer Partner für uns ist Bauerfeind, das uns optimal mit hochwertigen sportmedizinischen Produkten wie Bandagen oder Orthesen versorgt.