Marco Baldi ist seit fast 30 Jahren der Geschäftsführer von ALBA BERLIN. Im Interview sprechen wir mit ihm über das Eurocup-Finale, die Doppelrolle von ALBA als Spitzensport-Club und Sozialakteur und die große gesellschaftliche wie sportliche Kraft, die das Jugendprogramm entwickelt hat.

Marco, in bald 30 Jahren ALBA hast du schon viele große Spiele auf europäischem Parkett erlebt. Wie aufgeregt bist du jetzt noch vor diesem EuroCup-Finale?

Ich freue mich riesig auf das Finale. Natürlich arbeiten wir – auch unabhängig von sportlichen Ergebnissen – kontinuierlich daran, uns zu entwickeln und zu verbessern. Aber wenn es auf dem Parkett so gut aufgeht wie jetzt, dann ist das schon etwas sehr Besonderes.

Der europäische Wettbewerb hat in der Geschichte von ALBA BERLIN immer eine große Rolle gespielt…

Ja, unser Anspruch ist in jeder Saison im höchstmöglichen europäischen Wettbewerb zu spielen, uns mit europäischen Top-Teams zu messen. Natürlich bringt das auch große Belastungen und Herausforderungen mit sich, aber für diesen Weg haben wir uns von Beginn an entschieden. Er  ist ein Teil unserer DNA geworden und gibt uns, besonders in Momenten wie diesen, eine Chance zur Weiterentwicklung und auch eine große Befriedigung.

Wenige Experten hatten die Albatrosse im EuroCup zu Saisonbeginn auf der Rechnung. Jetzt stehen die Albatrosse im Finale, stellen mit Aito den Coach of the Year und mit Luke Sikma den MVP.

Das Finale in diesem sehr stark besetzten  Wettbewerb zu erreichen, ist für ein deutsches Team ein außergewöhnlicher Erfolg. Mit Malaga haben wir bereits ein Euroleague-Kaliber-Team ausgeschaltet. Jetzt stehen wir im Finale gegen Valencia, die noch stärker einzuschätzen sind. Davon, dass unsere Mannschaft großes Potenzial hat, war ich im Sommer durchaus überzeugt. Aber wenn man den Saisonverlauf betrachtet, mit zahlreichen schwerwiegenden Verletzungen und einem extrem eng getakteten Spielplan, ist es schon sehr bemerkenswert, dass wir so weit gekommen sind.

Und dass, obwohl ALBA die jüngste Mannschaft im Wettbewerb ist.

Das ist tatsächlich ungewöhnlich, aber genau das ist unsere Philosophie. Wir wollen talentierte Spieler entwickeln und gleichzeitig sportlich ganz oben mitspielen. Das ist der Kern unseres Programms und darauf ist alles ausgerichtet. In den letzten anderthalb Jahren haben wir so vier von fünf möglichen Finals erreicht. Zudem sind wir letzte Saison deutscher Meister in der U14, U16 und U19 geworden. Dass Spieler aus unserem Jugendprogramm wie Niels, Joshiko, Tim, Franz, Jonas und Bennet eine wichtige Rolle im Profiteam spielen, ist kein Zufall, sondern das Ergebnis unserer Ausrichtung und jahrelanger, kontinuierlicher Arbeit.

Was war nötig, um diese beeindruckende Entwicklung zu ermöglichen?

Von unserem Konzept nicht abzurücken, auch nicht als es Zweifel gab. Wir haben ab 2006 unter der Federführung von Henning Harnisch unsere  gesamte Jugendarbeit unter unserem Dach organisiert und seither erheblich in Personal und Infrastruktur investiert. Wir stecken heute fast 30% unseres gesamten Budgets in unsere Nachwuchsarbeit. Himar Ojeda gibt als Sportdirektor mit seinem Background wichtige Impulse und wir haben mit Aito den perfekten Coach für unser Programm.

Wie erfolgt die Arbeit mit den Talenten konkret?

Unsere Teams in der U14, U16- und U19-Bundesliga, bei Lok Bernau in der ProB sowie das BBL-Team sind stark vernetzt und verfolgen dieselbe sportliche Idee. Die Talente arbeiten zusätzlich mit unseren Individual-Trainern, sie erhalten physiotherapeutische, medizinische und sportpsychologische Betreuung. Parallel werden sie von unseren Athletiktrainern körperlich aufgebaut. Dafür stehen uns zwei eigenbetriebene Hallen zur Verfügung. Außerdem betreiben wir  Wohngemeinschaften, in denen junge Spieler betreut wohnen. Die Talente erhalten bei uns schulische Förderung, können praktische Berufserfahrungen sammeln und haben am ALBA-College die Möglichkeit, parallel zur Profikarriere ein Studium zu absolvieren. Dennoch ist das Ganze nur ein Aspekt unserer Nachwuchsarbeit.

Was ist der andere?

Mit unserem Jugendprogramm haben wir uns zu einem Sozialakteur entwickelt, wir helfen mit,  unsere wachsende Stadt zu gestalten. Seit vielen Jahren engagieren wir uns mit Hingabe und unter Einsatz erheblicher finanzieller Mittel dafür, Kindern den Spaß am Sport zu vermitteln. Dabei spielt  weder Geschlecht, Religion, Herkunft oder soziale Schicht eine Rolle, noch ob die Kinder sportlich oder besonders talentiert sind. Jeder ist willkommen, wir bringen sie zusammen und in Bewegung.

Das klingt wie Neuland für einen Proficlub.

Ist es auch. Wir haben dafür viele neuartige Programme entwickelt. Unsere über 120 Jugendtrainer und -trainerinnen sind das Fundament unseres Programms. Sie sind nicht nur im Verein, sondern auch in Kindergärten, an Grund- und Oberschulen tätig. Wir organisieren Camps, machen Open-Gym-Angebote und vieles mehr. Projekte wie „ALBA Kita-Sport“ oder „ALBA macht Schule“ beschreiten neue Wege für das Zusammenspiel von Bildungsinstitutionen und Sportvereinen. Daraus ist eine richtige Bewegung geworden, mittlerweile treiben Woche für Woche über 8.000 Kinder und Jugendliche unter Anleitung von ALBA Sport. Wir glauben, dass Kinder durch Bewegung und Begegnung vieles lernen und glücklicher werden. Richtig rund wird es letztlich auch dadurch, dass die ersten dieser Kinder, die wir vor Jahren in den Schulen Berlins für den Sport begeistert haben, nun durch unser gesamtes Programm gegangen und ein wichtiger Baustein unsers Profi-Teams geworden sind. Unser Breitensport-Programm ist nicht nur gesellschaftlich wichtig, es ermöglicht uns auch trotz vergleichsweise geringem Budget auf höchstem Niveau konkurrenzfähig zu sein.

Zurück zum EuroCup. Die bisherige Saison war überragend, was ist jetzt noch möglich?

Es ist das Finale, alles ist möglich.