In der vergangenen Spielzeit der Zweiten Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL) hatte sich das Team von ALBA BERLIN gerade für die Playoffs qualifiziert, als die Saison abgebrochen wurde. In der neuen Saison soll es nun trotz der Corona-Pandemie weiter aufwärts gehen: Deshalb setzt der Klub ein Zeichen und erhöht noch einmal das Budget für die ALBA-Frauen. Außerdem erhalten nun alle Spielerinnen des Teams erstmals eine Vergütung. Und auch eine neue US-Profispielerin ist an Bord: Flügel- und Centerspielerin Ruth Sherrill hat am Montag erfolgreich den Medizincheck absolviert.

Individuelle Profile aller Spielerinnen (Namen im Roster anklicken)

Erst piept es viermal. Dann blitzt es. Dann piept es wieder. Und erneut zuckt ein Lichtblitz durch das Trainingszentrum in der Schützenstraße. Unter einem der beiden Körbe haben die Spielerinnen von ALBA sowie die Coaches und Betreuerinnen Haltung eingenommen: Augen auf, Rücken gerade, bitte recht freundlich. An einem hübschen Abend im Spätsommer entstehen so die Teamfotos für die neue Saison in der Nordstaffel der Zweiten Damen-Basketball-Bundesliga (DBBL). Piep, piep – Blitz.

Auf einer kleinen Holzbank ein paar Meter davon entfernt sitzt Himar Ojeda und beobachtet das Geschehen. Ein wenig Wehmut ergreift ALBAs Sportdirektor, während vor ihm wieder und wieder der Auslöser klickt. „Das letzte Jahr haben wir damit begonnen, ein gemeinsames Teamfoto zu machen“, seufzt er. Damals kamen das Männer- und das Frauenteam in der Mercedes-Benz Arena zusammen und ließen sich als bunt vermischtes Kollektiv ablichten, als gemeinsame Vertreterinnen und Vertreter des Spitzensports bei ALBA BERLIN. „Das war ein tolles Zeichen, auch für unsere Ambitionen im Frauen-Basketball“, sagt Ojeda. Aber dieses Jahr: Corona. Hygienevorschriften. Abstand. Und damit kein gemeinsames Teamfoto.

Die Pandemie hat auch dem Frauenteam ordentlich zu schaffen gemacht. Das ging schon im März los, als die Saison in der DBBL kurzerhand abgebrochen wurde. „Das war wirklich tough“, sagt Cristo Cabrera, der das Team auch in der neuen Saison als Headcoach anleiten wird. „Wir waren gerade in unserer besten Phase.“ Fünf ihrer letzten sechs Spiele hatten die Berlinerinnen damals gewonnen und sich damit vorzeitig für die Playoffs qualifiziert. „Das war schon brutal, so kurz vor der heißen Phase“, betont Flügelspielerin Lucy Reuß. „Das hat schon ein paar Wochen gedauert, bis ich das realisiert habe. Irgendwie hatte ich immer im Kopf: Vielleicht kommt doch noch mal ein Anruf, und morgen geht es wieder in die Halle.“ Aber der Anruf kam nicht.

Also mussten sich Reuß und ihre Kolleginnen während des Shutdowns selbstständig fit halten. Die Coaches verschickten Trainingspläne, die Spielerinnen absolvierten ihr Pensum für Kraft und Koordination zuhause, gingen Laufen in Wäldern und auf Straßen oder wagten sich – als es wieder erlaubt war – auf die Freiplätze. Erst mit Beginn des Sommers gab es wieder erste gemeinsame Trainingssessions im Freien. Wie und wann es weitergehen würde, war da aber noch völlig unklar.

„Die schwächsten Glieder sind in Krisen immer die ersten, die in Gefahr sind“, sagt Himar Ojeda. „Und das sind im Sport leider oft die Frauen-Abteilungen.“ Auch der Sportdirektor musste sich Gedanken über die nächsten Schritte mit dem Team machen. Mit dem abrupten Saisonende wurde nicht nur dem sportlichen Höhenflug, sondern auch dem Schwung und der neuen Aufmerksamkeit für die Ambitionen der ALBA-Frauen ein Schlag verpasst. „Auch bei uns war die Stimmung schlecht“, berichtet Ojeda von den Zweifeln: „Können wir überhaupt noch spielen? Und wie endet das Ganze jetzt?“

Doch die ehrgeizigen Ziele standen nie zur Debatte. In den kommenden Jahren soll das Team in die Erste Liga aufsteigen und dort mittelfristig auch um Titel spielen. Bei diesem Vorhaben bleibt es. Dazu stärkt ALBA die Infrastruktur rund um die Frauen-Abteilung. Auch daran hat sich nichts verändert. Das Team aus Coaches und Betreuerinnen bleibt ebenso erhalten wie die Wohngemeinschaften für Spielerinnen. Auch dem klubeigenen Entwicklungsprogramm unter ALBAs Individualtrainer Carlos Frade gehören die Spielerinnen aus der DBBL sowie dem U18-Nachwuchs in der WNBL nach wie vor an.

„Es ist aber nicht nur der gleiche Standard wie letztes Jahr, sondern wir verbessern uns sogar“, betont Ojeda. Allen Widrigkeiten zum Trotz hat ALBA den Etat für das Frauenteam noch einmal erhöht. Zudem erhalten nun erstmals alle Spielerinnen eine Vergütung für ihre Leistungen bei ALBA. „Manche bekommen Geld, manche eine Wohnung, manche andere Formen der Unterstützung“, erklärt Ojeda. „Das ist ein wichtiges Zeichen, und darauf bin ich stolz.“

Am 18. Oktober startet das Team im Pokal beim Süd-Zweitligisten Falcons Bad Homburg in die neue Saison. Am Wochenende darauf gibt es dann – allerdings noch ohne Publikum – in der Max-Schmeling-Halle A den Heim- wie Ligaauftakt gegen die Bender Baskets Grünberg (24. Oktober, 18 Uhr). Nach der unvollendeten Vorsaison sind die Ziele klar: „Als Team würden wir gerne wieder in die Playoffs kommen“, sagt Spielmacherin Lena Gohlisch. „Letztes Jahr hätten wir es ja geschafft, aber konnten sie dann nicht spielen. Deshalb ist das das erste Ziel.“

Gohlischs Erfahrung wird in dieser Saison besonders gefragt sein. Ihre letztjährige Partnerin im Spielaufbau, die frühere Nationalspielerin Ireti Amojo, kann wegen einer Knieverletzung nicht weiterspielen. Und auch Erika Livermore, ALBAs US-Profispielerin der vergangenen Saison, wird nicht mehr für das Team auflaufen, nachdem sie ihre Karriere beendet hat. Doch der Klub hat personell nachgelegt, um die Lücken zu schließen: Neben der Aufbauspielerin Fee Zimmermann, die aus Saarlouis nach Berlin wechselt, werden in der neuen Saison auch wieder zwei Vollzeit-Profis für ALBA auflaufen.

So kehrt nicht nur Ewelina Jackowska zurück, die bereits im Laufe der vergangenen Saison zum Team gestoßen war und eine Handvoll Spiele absolvierte, ehe die Pandemie zuschlug. Mit Ruth Sherrill kommt zugleich erneut eine international erfahrene US-Spielerin nach Berlin, die ihr Können bereits in Spanien gezeigt hat und bei ihrer letzten Station in der ersten dänischen Liga ins Team der Saison gewählt wurde. Als in der Schützenstraße das Teamfoto geknipst wird, ist sie aufgrund der schwierigen Bedingungen für die Einreise aus den USA zwar noch nicht dabei, am Montag dann absolvierte sie jedoch erfolgreich ihren Medizincheck. „Ihr Profil passt genau zu dem, wonach wir gesucht haben: eine Spielerin, die uns mehr Konstanz unter dem Korb gibt, im Rebounding und im Scoring, aber zugleich auch zu unserer Teamchemie und unserer Philosophie passt“, sagt Himar Ojeda über die Verpflichtung der 26-jährigen Flügel- und Centerspielerin. „Unser Team ist immer noch sehr jung und neu, deshalb soll sie uns mit ihrer Erfahrung helfen.“

Tatsächlich wird das Team in der anstehenden Saison noch mehr aus dem eigenen Nachwuchsprogramm schöpfen, nachdem es den einen oder anderen studienbedingten Abgang gegeben hat – Victoria Poros wechselt etwa nach Osnabrück, Leyla Öztürk an die Northeastern University in Boston, und auch Josephine Abbott, Renée Endesfelder sowie Alexandra Poros treten kürzer und verlassen das Team. „Letztes Jahr waren wir schon jung, aber dieses Jahr sind wir sogar noch jünger“, sagt Chefcoach Cristo Cabrera. Etwa 400 Frauen und Mädchen spielen bei ALBA BERLIN Basketball, so viele wie bei keinem anderen Klub in Deutschland. Sie bilden die Basis und den Talentschatz, aus dem in Zukunft der Aufstieg und Titel wachsen sollen. „Wir wollen das nicht auf künstliche Weise erzwingen, indem wir ständig neue Spielerinnen von außen verpflichten“, erklärt Himar Ojeda und lehnt sich auf der Holzbank in der Schützenstraße zurück. „Wir wollen das mit organischem Wachstum schaffen, indem wir unsere eigenen Spielerinnen weiterentwickeln.“ Dann piept und blitzt es wieder.