Jaleen Smith kam im Sommer als letzter Neuzugang zu ALBA. In der vergangenen Saison war er nicht nur Ludwigsburgs Topscorer, sondern auch der beste Passgeber, der beste Balldieb sowie der zweitbeste Rebounder im Team. Gerade war der Liga-MVP mit dem Team für Testspiele in der Türkei. Wir haben mit ihm über die Eingewöhnung und seine Erwartungen an die neue Saison gesprochen.

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Interview: Horst Schneider

Jaleen, von Berlin nach Paris, dann weiter in die Türkei. Das fühlt sich doch schon fast wie der Saisonalltag an, oder?

Für mich ist das schon etwas neu und anders. Ich habe in meinen ersten vier Profijahren immer nur in Deutschland gespielt und ich bekomme jetzt mit diesen weiten Reisen einen ersten Eindruck davon, was es bedeutet, neben der Bundesliga auch regelmäßig in der EuroLeague zu spielen.

Wie waren die ersten Testspiele vor Zuschauern?

Es ist toll, wieder vor Fans zu spielen. Auch in der kleinen Halle in Oranienburg hat sich das gleich ganz anders angefühlt. Das war wieder eine richtige Basketball-Atmosphäre und man hat auch gespürt, dass es den Fans Spaß macht, wieder ihr Team anzufeuern.

Bist du mit dem bisherigen Verlauf der Vorbereitung zufrieden?

Da gibt es sicher noch ein paar Dinge, die wir verbessern können und müssen. Aber wir sind jetzt mitten in der Preseason und jeder muss sich an seine Rollen und seine Mitspieler gewöhnen. Wir haben eine lange Saison vor uns, in der wir uns ja auch noch weiterentwickeln.

Wie sehr behindert es die Vorbereitung, dass alle Center momentan verletzt sind?

Es ist tatsächlich schwierig, unter diesen Umständen ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie das Team spielen wird, wenn die Center wieder dabei sind. Aber auch hier gilt: Es ist ja erst die Preseason. Unsere Big Men werden alle zurückkommen und uns nach und nach stärker machen.

Du bist es aus Ludwigsburg ja ohnehin gewohnt, Small Ball zu spielen, richtig?

Ja, das kann man wohl sagen. Ich bin wahrscheinlich von allen im Team am besten auf das centerlose Spiel vorbereitet (lacht).

Gleich nach deiner MVP-Saison gab es viele Gerüchte über Angebote von diversen Europaligisten. Warum hast Du Dich am Ende für ALBA entschieden?

ALBA ist wie andere Teams schon früh an mich herangetreten. Aber ich wollte ausloten, ob es für mich Chancen in der NBA gibt und das habe ich allen auch ganz klar gesagt. Bei einigen Teams hatte ich den Eindruck, dass ihnen das zu unsicher war und dass sie nicht so lange auf mich warten wollten. ALBA hat Verständnis gezeigt und war für mich am Ende auch deshalb die beste Option, weil mir die Berliner Spielweise sehr gefällt und ich mich generell in Deutschland wohl fühle.

Hast Du viele ALBA-Spiele in der vorigen Saison angeguckt?

Ja, die EuroLeague-Spiele von ALBA und auch die der Bayern habe ich fast alle gesehen.

Aus der zweiten Liga in die BBL und jetzt EuroLeague – musst Du Dich beim Rückblick auf diese fabelhafte Karriere manchmal selbst kneifen?

Nach dem ersten Jahr in Heidelberg war ich sogar überrascht, dass sie meinen Vertrag noch um ein Jahr verlängert haben. Das zweite Jahr dort hat mir sehr geholfen, Selbstbewusstsein als Spieler aufzubauen. Und in Ludwigsburg – jeder kennt ja John Patrick – muss man auch froh sein, wenn man nach den ersten Wochen noch dabei ist. Rückblickend ist es schon irre, wie das gelaufen ist. Wenn Du mir nach dem ersten Jahr in Heidelberg prophezeit hättest, dass ich drei Jahre später BBL-MVP werden würde, hätte ich Dich bestimmt für verrückt erklärt.

Und die Geschichte ist ja noch nicht zu Ende. Im Sommer hast du bei Utah Jazz und den Philadelphia 76ers trainiert und hast mit den Phoenix Suns in der NBA-Sommerliga gespielt. Wie war diese Erfahrung?

Es war das allererste Mal, dass ich überhaupt mit der NBA in Kontakt gekommen bin und es hat mich beeindruckt, dass sie – auch wenn du nur im Summer-League-Roster stehst – einem sofort das Gefühl vermitteln, dass du voll dazugehörst. Das war eine Mischung aus in Europa aktiven Amerikanern, G-League-Spielern und ein paar bekannteren NBA-Akteuren, mit denen ich da einen Monat lang zusammen gespielt habe. Eine großartige Erfahrung.

Der Star in Eurem Team war der Forward Jalen Smith, der fast den gleichen Namen hat wie Du. War das manchmal verwirrend?

Da haben viele die Statistiken überflogen und dann gesagt: Wow, Du holst ja in der Sommerliga noch mehr Rebounds als in der BBL! Ich musste das dann korrigieren und sagen: Sorry, das war der große Jalen, ich bin nur der kleine Jaleen!

Dein Coach bei Phoenix war Brian Randle, der in seiner aktiven Zeit vor neun Jahren mal kurz bei ALBA gespielt hat.

Ja, den kannte ich vorher gar nicht und ich wusste auch nicht, dass er viele Jahre in Europa, unter anderem in Israel für Maccabi, gespielt hat und dort sogar zweimal als bester Verteidiger der Liga ausgezeichnet wurde.

Verteidigung ist ein gutes Stichwort. Bei den ersten Testspielen sah es so aus, als ob die Defense in dieser Saison ALBAs größter Trumpf werden könnte. Was meinst Du?

Ich denke ja, auch wenn ich mich erst noch an ALBAs Defensivkonzept gewöhnen muss. Der ALBA-Stil lebt vom schnellen Spiel nach vorn, das viele offene Würfe kreiert. Die Basis dessen ist eine gute Verteidigung.

Du bist vor allem wegen deiner Vielseitigkeit MVP geworden. Du warst nicht nur Ludwigsburgs Topscorer, sondern holst auch viele Rebounds, Assists und Steals. Gibt es etwas, worin Du Dich noch verbessern willst?

Ich muss meinen Wurf noch verbessern. Ich habe zwar Tage, da treffe ich alles, aber es gibt auch Tage, an denen der Wurf überhaupt nicht fallen will. Da möchte ich konstanter werden. Das muss ich auch deshalb tun, weil ich bei ALBAs Spielweise wahrscheinlich mehr offene Würfe bekommen werde als in Ludwigsburg.

Was erwartest Du von der EuroLeague?

Beim Wechsel von der zweiten in die erste Liga musste ich mich erst einmal an das viel physischere und schnellere Spiel gewöhnen. In der EuroLeague haben alle Teams starke Big Guys, wodurch das Spiel langsamer wird. Ich werde mich deshalb wohl wieder an ein etwas langsameres Spiel gewöhnen müssen.

Im Juni hast Du geheiratet, herzlichen Glückwunsch nochmal! Wird Deine Frau nach Berlin ziehen?

Im Moment ist sie noch in den USA, aber sie wird im Dezember nach Berlin kommen und dann auch dort bleiben. Weihnachten wollen wir mit der ganzen Familie in Berlin feiern. Darauf freue ich mich besonders, denn im vergangenen Jahr war das ja nicht möglich.