Ob Jonas Mattisseck, der beim VFL Lichtenrade zum Basketball kam, Annika Polak, deren Wurzeln beim VFB Hermsdorf liegen oder Florian Lau, der bei den Marzahner Dragons "ALBA macht Schule" weiterentwickelt: Über ganz Berlin spannt sich ein großes Basketball-Netzwerk, von dem sowohl der Proficlub ALBA als auch die kleineren Vereine profitieren. Dieser Artikel ist im ALBA-Jahrbuch 2018/2019 erschienen und hier in voller Länge nachzulesen.

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Ein eng verknüpftes Netzwerk

vier Talente, ein Vorsitzender und ihre Wege zu ALBA BERLIN

Jonas Mattisseck erinnert sich genau, wie die Sache mit dem Nur-Zuschauen-Wollen lief. „Ich wollte bei meinem Kumpel Leon übernachten“, fängt er an zu erzählen, „der hatte abends Training in Lichtenrade. Da bin ich natürlich mitgegangen und habe mich dort auf die Bank gesetzt – also bis Rudi kam.“ Rudi heißt mit vollem Namen Stefan Rudolph und sitzt leicht belustigt neben Mattisseck. Rudolph war, als Jonas bei Leon übernachten und nur auf der Bank sitzen wollte, beim VfL Lichtenrade der Trainer der U9. „Rudi hat mir gesagt: ‚Hier sitzt keiner auf der Bank. Wer hier ist, der macht auch mit.‘ Also habe ich mitgemacht“, erzählt Mattisseck. Knapp zehn Jahre später spielt Mattisseck bei ALBA BERLIN. In der letzten Saison sammelte der heute 18-Jährige erste Einsätze in Bundesliga und Eurocup, beim Kooperationspartner LoK Bernau spielte er in der ProB in seinen 20 Einsätzen knapp 25 Minuten im Schnitt. Seine basketballerischen Ursprünge jedoch, die hat Mattisseck in Lichtenrade bei Rudi.

Vereinswechsel sind im Basketball wenig außergewöhnlich. Im Profi-Bereich schon gar nicht und auch im Kinder- und Jugendbereich kommen sie häufig vor. So ist die Landschaft des Berliner Jugendbasketballs ein ebenso großes wie eng verknüpftes Netzwerk. Es bestehen Kooperationen, gemeinsame Initiativen werden vorangetrieben und Doppellizenzen verteilt. Es werden erst Informationen über interessante Spieler weitergegeben und getauscht, später wechseln dann die Akteure selbst. Dass ALBA in diesem Netz des Berliner Basketballs eine entscheidende Rolle einnimmt, ist klar, aber wie genau sieht diese Rolle aus? Und welche Biografien gehen aus ALBAs Verknüpfung innerhalb des großen Netzes hervor?

Mattisseck denkt gerne zurück an die Lichtenrader Anfänge seiner Sportlerbiografie. Er benutzt Worte wie „heimisch“ und „vertraut“, und es schwingt fast ein wenig Melancholie in seiner Stimme mit. Mattisseck kommt aus Lichtenrade und wohnt noch immer dort. Nur Basketball spielt er inzwischen bei ALBA. „Natürlich guckt man einem Spieler wie Jonas hinterher und verfolgt, was der so macht“, sagt Trainer Rudolph. Sechs Jahre hat er Mattisseck bei Lichtenrade trainiert, bevor dieser erst zu TuS Lichterfelde und kurz darauf zu ALBA wechselte. Als das Highlight der gemeinsamen Zeit nennt Rudolph die Endrunde zur Deutschen U14-Meisterschaft. Mattisseck nickt erst und sagt dann: „Die haben wir sogar ausgerichtet. Nicht in unserer eigentlichen Halle, weil die zu klein war, aber hier in Lichtenrade.“ Alles und jeden habe man für die erste und bislang einzige Teilnahme an einer Meisterschaftsendrunde zusammengetrommelt, fügt Rudolf an. Sein ehemaliger Spieler nickt wieder: „Wir hatten alles. Nationalhymne, Cheerleader, Musik ... obwohl wir beide Spiele verloren haben, war dies das bis dahin beste Wochenende meines Lebens.“ Dass es sowohl Mattisseck als auch einige seiner Teamkollegen anschließend zu größeren Klubs zog, kann dessen Trainer verstehen. „Es ist doch total verständlich und absolut in Ordnung, dass die besten Spieler irgendwann zu ALBA wechseln wollen. Aber bis dahin braucht es kleinere Vereine, die diese Spieler entwickeln“, sagt Rudolph. Eine Ansicht, die Mattisseck teilt. Er sei froh, bei einem kleineren Verein angefangen zu haben, sagt er und ergänzt: „Das war ein familiäres Umfeld, in dem ich mich und meine Leidenschaft für Basketball entwickeln konnte.“
 

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Familiarität – ein Begriff, den auch Annika Polak benutzt, um ihren Start im Basketball zu beschreiben. Beim VfB Hermsdorf liegen diese. Im Norden Berlins, ein Stück weit weg von Mitte und Prenzlauer Berg und noch viel weiter weg von Lichtenrade. Polak ist 16 Jahre jung, kommt aus Hermsdorf und macht dort derzeit ihr Abitur. „Ich habe in der ersten Klasse angefangen, Basketball zu spielen“, erzählt sie von ihren Anfängen in der Hermsdorfer Mixed-Mannschaft, die aus drei Mädchen und deutlich mehr Jungen bestand. Inzwischen hat Polak die gemischten Teams lange hinter sich gelassen. Statt in Hermsdorf Mini-Basketball, spielt sie jetzt bei ALBA in der U17-Bundesliga (WNBL) und der 2. Damen Bundesliga (2. DBBL). Empfohlen hat sie sich hierfür in den vergangenen drei Jahren – bei ALBA und bei Hermsdorf. Möglich gemacht durch eine Doppellizenz. „Ich habe bei ALBA in der WNBL und bei Hermsdorf in der 2. Regionalliga gespielt“, erklärt sie das Konzept, das man als eine klassische Win-Win-Situation bezeichnen kann. Während größere Vereine wie ALBA profitieren, indem sie ihren talentierten Spielerinnen und Spielern mit mehreren Partien am Wochenende viel Spielraum zum Entwickeln bieten, haben auch die kleineren Klubs einen Vorteil. Dass Spielerinnen und Spieler von der Kombination aus forderndem Training im großen und viel Spielpraxis im kleineren Verein profitieren, leuchtet ebenfalls ein. „In Hermsdorf konnte ich ohne Druck viel spielen, und bei ALBA war es gleichzeitig schon sehr professionell“, sagt etwa Polak und fasst zusammen: „Mir hat die Doppellizenz sehr geholfen. Sie hatte nur Vorteile.“
 

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Ein weiteres Talent der ALBA Jugend, das mit dem gleichzeitigen Spielen in zwei Mannschaften gute Erfahrungen gemacht hat, ist Nolan Adekunle. Der 16-Jährige sitzt nicht nur auf der gleichen Bank im ALBA-Trainingszentrum, auf der Annika Polak kurz vorher noch gesessen hat, er teilt auch ihre Ansichten mit Blick auf das Konzept Doppellizenz. Als „eine Art Zwischenschritt“, tituliert Adekunle es, während vor ihm ALBAs JBBL-Mannschaft beim Fotoshooting größte Probleme hat, konzentriert zu bleiben. In der vergangenen Saison hat er selber noch in der JBBL gespielt. So gut, dass er im Sommer zur U16-Nationalmannschaft eingeladen wurde. Aber der Reihe nach: Angefangen hat Adekunle schließlich nicht in der U16 und nicht bei ALBA. „Ich habe als Erstes beim TSV Spandau gespielt“, erzählt er. Er sei mit seiner Mutter und seinen drei Schwestern in Berlin-Staaken aufgewachsen, und da sei der TSV schlichtweg der einzige Verein in der Nähe gewesen. Dass das sportliche Potenzial des Jungen, der zu Beginn nur Basketball spielte, weil seine Mutter wollte, dass er irgendeinen Sport macht, das beim TSV gebotene Niveau überbot, erkannte Adekunles damaliger Trainer schnell. „Er hatte ganz gute Kontakte zu ALBA und so haben sich ALBA-Trainer immer mal unsere Spiele angeschaut“, sagt Adekunle. In der U14 statteten sie den zuvor Beobachteten mit erwähnter Doppellizenz aus. Und so spielte der damals 13-Jährige ein Jahr lang U16 in Spandau und U14 bei ALBA. Ein sportlicher Fortschritt, der mit einem mentalen einherging: „Auf einmal standen mir gefühlt alle Türen offen“, sagt Adekunle und ergänzt: „Dass ALBA mich haben wollte, hat mir einen richtigen Antrieb gegeben.“

Der nächste Schritt war nicht weniger groß. Zwar ging es nach der U14 nicht direkt in ALBAs JBBL-Mannschaft, zumindest aber in die von Higherlevel Berlin. Als „die nächste Stufe auf der Treppe“ bezeichnet Adekunle die Saison in dem Kooperationsteam von ALBA, das extra dazu dient, Spielern, die an der Schwelle zu ALBAs JBBL-Mannschaft stehen, Raum zum Weiterentwickeln zu geben. Und genau das tat Adekunle. Er entwickelte sich, überzeugte die ALBA-Trainer endgültig und geht jetzt nach einem Jahr JBBL bei ALBA in seine erste NBBL-Saison. Dazu kommt, dass der Forward nicht nur bei ALBA spielt, sondern inzwischen auch wohnt - zusammen mit zwei anderen Talenten in einer der Jugendspieler-WGs in Mitte.
 

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Nicht in einer WG, sondern noch komfortabel zu Hause bei den Eltern wohnt Franz Wagner. Bei den Eltern ist gleichbedeutend mit mitten im Prenzlauer Berg. Warum das von Belang ist, wird deutlich, wenn man sich den sportlichen Werdegang des 17-Jährigen anguckt. Franz Wagner ist das Gegenbeispiel zu den drei bislang beschriebenen Talenten. 2008 hat der sieben Jahre junge Wagner bei ALBA mit dem Basketballspielen angefangen. „Eigentlich nur wegen meines Bruders“, sagt er selber. Besagter Bruder von Franz ist Moritz. Seines Zeichens seit diesem Sommer NBA-Spieler für die Los Angeles Lakers und vorher ALBA-Jugendspieler. Warum die beiden Wagner-Brüder bei ALBA mit dem Basketballspielen angefangen haben, erklärt Franz ebenso knapp wie verständlich, wenn er sagt: „Wir wohnen fünf Minuten von der Knaackstraße und zehn Minuten von der Max-Schmeling-Halle. Da war es keine Frage, wo wir spielen würden.“

Etwas komplexer ist die Antwort auf die Frage, warum der Forward, der genau wie Mattisseck mit einer Doppellizenz auch in der ProB aktiv ist, noch immer bei ALBA spielt: „Die Situation war hier für mich zu gut, um ans Weggehen zu denken. Hier sind alle super nett und als Kind wurde dir Basketball mit Spaß und Freude vermittelt.“ So lerne man nicht mit neun Jahren schon jegliche Systeme von Diamond bis Horns Down, sondern die Grundlagen. „Das ist nicht bei allen Klubs so, aber genau das ist es, worauf es ankommt“, sagt Wagner. Dass Wagner das, worauf es ankommt, gut beherrscht, ist offensichtlich. In der vergangenen Saison löste Franz, gerade 16 Jahre jung, seinen Bruder Moritz als jüngsten ALBA-Spieler aller Zeiten ab. Und weil das augenscheinlich noch nicht genug Grund zur Freude war, nutze er sein erstes Spiel gegen Frankfurt gleich für die ersten Punkte. Was das für ein Gefühl ist, weiß auch Jonas Mattisseck aus eigener Erfahrung. Er hat bereits mehrmals in der Mercedes-Benz-Arena einnetzen können. Die gleichen Meilensteine, die das Highlight zweier bis dato komplett unterschiedlicher Basketballwege darstellten.
 

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Als ein Förderer solcher individueller Wege im Basketball könnte man Florian Lau bezeichnen. Der 32-Jährige ist der Vorsitzende bei dem im Berliner Osten angesiedelten Klub Dragons Marzahn und bei der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft als Beauftragter für Schulbasketball tätig. Kurzum: Lau ist fester Bestandteil des Berliner Basketballnetzwerkes. Mit ALBA verbindet ihn nicht nur die Tatsache, dass er zwei Tage die Woche in ALBAs Jugendgeschäftsstelle sitzt, sondern auch eine Kooperation von ALBA mit Laus Dragons.

Seit 2012 arbeiten die beiden Klubs zusammen, vor allem im Bereich des Kita- und Schulsports. „Es geht darum, Know-how auszutauschen“, sagt Lau, „ALBA entwickelt Modelle für die Innenstadt, wir tragen sie anschließend an den Stadtrand, modifizieren sie dort und entwickeln sie weiter.“ Dann gebe man Feedback in Richtung der Quelle. Eine funktionierende Partnerschaft, von der Dragons und ALBA gleichermaßen profitieren. Während ALBA die Dragons in Sachen Professionalisierung und Entwicklung unterstützt, dient der Marzahner Klub als Botschafter ALBAs. „Wir bringen Basketball in die Kitas und Schulen in Marzahn“, erklärt Lau und ergänzt, dass das Projekt ALBA macht Schule im Kiez alleine bei den Dragons vier hauptamtliche Trainerstellen entstehen lassen hat. „Diese Trainer stellen in den Kitas und Schulen jetzt einen Bezug der Kinder zu ALBA her“. Einen Bezug, der laut dem Vorsitzenden darüber hinausgeht, dass in den Kindertrainings regelmäßig mehr als die Hälfte der Kinder in ALBA-Klamotten aufkreuzen: „Natürlich bekommt ALBA durch uns mit, wenn wir in Marzahn jemanden haben, der uns basketballerisch verblüfft. Klar wollen wir, dass so viele Spieler wie möglich bei uns in Marzahn spielen, aber wenn jemand das Potenzial hat, zu einem Klub wie ALBA zu gehen, dann freuen wir uns ungemein und unterstützen das. Bei allem, was wir derzeit gemeinsam mit ALBA in Marzahn machen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der erste ALBA-Profi von den Dragons aus Marzahn kommt.“

Ein Einzelfall sind Kooperationen wie die mit den Dragons bei ALBA nicht. Im Gegenteil: ALBA BERLIN ist gut angebunden innerhalb des großen Netzes des Berliner Basketballs. Kooperationen, Bündnisse, Doppellizenzen und der Austausch untereinander sind Alltag. Das Ergebnis sind Spielerbiografien, die so divers sind wie die Berliner Vereinslandschaft selber.