Sechsmal hat Johannes Thiemann in den vergangenen beiden Jahren mit Ludwigsburg gegen ALBA gespielt und jedes Mal verloren. Drei Duelle mit ALBA verpasste er zudem verletzt, so dass es genau genommen sogar neun sind. Da überrascht es nicht, dass der Nationalcenter darauf brannte, dieses Derby auch mal von der anderen Seite aus zu erleben. Wir sprachen nach ALBAs schwer erkämpften 86:80 über Ludwigsburg mit „J.T.“.

Spielerprofil Johannes Thiemann

Johannes, da hast du dich im Vorfeld sicher auf das Duell mit deinem vorigen Club gefreut. Hat dich der Verlauf des Spiels überrascht?

JT: Spiele gegen Ludwigsburg sind selten schön. Auch als ich noch für Ludwigsburg gespielt habe, waren es immer Kampfspiele. Das ist ja schließlich das, was Ludwigsburg so stark macht. Dass sie es immer wieder hinkriegen, die Spiele so zu gestalten, dass es für die Gegner unangenehm wird. Das haben sie auch gegen uns wieder geschafft und deshalb wurde es so ein knappes Spiel.

Du wusstest, was euch erwartet. Viele andere ALBA-Spieler auch und ihr habt es sicher auch den Neulingen erzählt, wie Ludwigsburg spielt. Trotzdem haben sie euch mit ihrer Spielweise in der ersten Halbzeit überrascht?

JT: Natürlich haben wir uns darauf vorbereitet, aber dann sofort umzusetzen, was man sich vorgenommen hat, ist oft leichter gesagt als getan. Wir waren am Anfang auch nicht konzentriert genug. Aber wir haben ja trotzdem noch die richtigen Lösungen gefunden und am Ende gewonnen.

Eigentlich hast du mit deiner physischen Spielweise und deiner Defensivstärke ja gut zu Ludwigsburg gepasst. Was hat sich an ALBA so gereizt, dass du nach Berlin gewechselt bist?

JT: Ludwigsburg war tatsächlich eine sehr gute Station für mich, wo ich mich gut weiterentwickeln konnte. Das war meine erste richtige Bundesliga-Station und ich habe mich dort durchgesetzt. Aber jetzt war es Zeit für den nächsten Karriereschritt, denn ich will den bestmöglichen Basketball bei dem bestmöglichen Team spielen. Ich denke, dass ich bei ALBA mein Spiel auf eine neue Ebene heben kann und der Standort ist natürlich auch sehr attraktiv.

In welcher Hinsicht willst du dich vor allem weiterentwickeln?

JT: Das extrem physische und aggressive Spiel, wo man Punkte auch Mal ‚mit der Brechstange‘ erzwingt, habe ich in den letzten zwei Jahren ganz gut verinnerlicht. Jetzt will ich mir die Finesse aneignen, mit der ALBA schon in der letzten Saison gespielt hat. Dieser Spielfluss hat mir etwas gefehlt und ich erhoffe mir, dass ich unter Coach Aito lernen kann, das Spiel besser zu lesen und daraus die Offensive zu entwickeln.

Clint Chapman hat vor kurzem im Interview gesagt, dass ihm ALBAs Verteidigung völlig neu ist. Dir als Defensivspezialist dürfte es nicht so schwer fallen, dich darauf einzustellen?

JT: Ja, wir Center treten beim Doppeln oft raus, aber das haben wir in Ludwigsburg ähnlich gemacht. Klar, die Regeln in der Defensive sind bei ALBA schon anders und ich musste mich auch umstellen. Aber dadurch, dass wir in Ludwigsburg immer sehr aggressiv verteidigt haben, gewöhne ich mich schnell daran, obwohl ich jetzt wegen meiner Verletzung ein paar Wochen aussetzen musste.
 

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Hattest du durch deine Verletzung jetzt wenigstens die Gelegenheit, dir Berlin etwas näher anzuschauen?

JT: Das könnte man meinen, aber tatsächlich hatte ich durch meine Therapie oft weniger Freizeit als die gesunden Spieler. Da fährst du von einer Therapie zur anderen, beim Training ist man auch vor Ort, um auf dem Laufenden zu bleiben, und Krafttraining machst du auch. Also zeitlich ist der Aufwand für einen verletzten Spieler manchmal größer. Der Unterschied ist, dass die Therapie nicht so anstrengend ist und man sich deshalb nicht so viel ausruhen muss.

Du hast in deinen ersten Sportlerjahren Fußball gespielt und erst mit 15 angefangen Basketball zu spielen. Denkst du manchmal darüber nach, ob du noch weiter sein könntest, wenn du früher damit angefangen hättest?

JT: Ich glaube, darüber darf man nicht zu viel nachdenken. Ich bin glücklich mit der Situation, in der ich gerade bin. Dass ich von Anfang an Dinge nachholen musste, die andere schon von klein auf gelernt hatten, hat mich dazu gebracht, härter zu arbeiten. Wer weiß? Vielleicht hätte ich diese gute Arbeitseinstellung gar nicht erworben, wenn ich früher angefangen hätte.

Wer hat dich denn damals gerade noch rechtzeitig vom Fußball zum Basketball bekehrt?

JT: Das war mein damaliger Schulsportlehrer, Herr Abend. Er hat mich überredet, zum Basketball-Schulsport zu kommen. Das habe ich ausprobiert und hatte gleich Talent dafür. In einem der ersten Spiele haben wir gegen Nürnberg gespielt, die damals zum Bamberger Partnerkonzept gehörten. Das war schon irre, denn ich wurde gleich in meinem gefühlt dritten Basketballspiel von denen angesprochen und ins Nürnberger JBBL-Team aufgenommen. Anschließend bin ich dann nach Bamberg gewechselt.

Du hast in Ludwigsburg Center gespielt und bist auch bei ALBA auf dieser Position eingeplant. Mit einer Beweglichkeit sehen manche  Beobachter dich auch als möglichen Power Forward – du auch?

JT: Klar, könnte ich das. Ich habe in meinem letzten ProA-Jahr in Bamberg schon mal auf der Vier gespielt. Im Moment fühle ich mich jedoch auf der Fünf ein bisschen wohler, wo ich kräftig genug bin, um auch mit größeren Spielern mitzuhalten. Aber wenn es mal nötig ist, spiele ich natürlich auch auf der Vier.

Durch die Verletzung von Peyton Siva seid ihr aber jetzt im Backcourt dezimiert und das ausgerechnet vor dem Spiel gegen Göttingen, bei denen alle Guards hochprozentig ihre Dreier treffen. Könnt ihr Center da überhaupt etwas ausrichten?

JT: Na klar, da können und müssen auch wir Center jetzt unseren verbleibenden Guards helfen. Wenn wir zum Beispiel in der Verteidigung gegen das Pick & Roll gut arbeiten, kann das schon dafür sorgen, dass ihre Dreier schwieriger werden. Und dann müssen wir natürlich die langen Rebounds einsammeln!