Das Post-Up-Spiel: Mehr eins-gegen-eins geht kaum. Ob mit dem Rücken zum Gegner oder Angesicht zu Angesicht, es kommt auf Details an. Auf Täuschungen, auf das Timing, auf das perfekte Ausführen kleiner Bewegungen, um den Gegenspieler auf engstem Raum zu schlagen. Johannes Thiemann geht beim Interview über das Spielen im Post ins Detail und erklärt, worauf es bei den Duellen der großen Jungs ankommt.

Interview: Norbert Thomma (ehem. Tagesspiegel), Fotos: Tilo Wiedensohler/Camera4 und Jan Buchholz

Dieses Feature ist Teil unseres Jahrbuchs 2020/2021 (hier im Shop erhältlich). Es ist eines von sechs Skills-Features. In den weiteren Artikeln dieser Reihe werden das Rebounding (mit Luke Sikma), das Werfen (mit Marcus Eriksson), das Verteidigen (mit Ben Lammers und Fee Zimmermann), das Dribbeln (mit Maodo Lo) und das Passen (mit Lena Gohlisch) behandelt. Die Features werden nach und nach auf unserer Website veröffentlicht.

Lässt sich der Begriff „Post Up“ ganz kurz definieren?
Ich versuch’s: Das ist eine isolierte 1-gegen-1-Situation unterm Korb. Ich habe dabei den Gegner im Rücken.

In diesem Bereich des Spielfeldes gibt es ein farbig markiertes Rechteck, Zone genannt. Diese dürfen Sie als Angreifer nur für drei Sekunden betreten. Sie positionieren sich also außerhalb dieser Zone. Auf welcher Seite des Korbs fühlen Sie sich wohler?
Meine Moves funktionieren da wie dort. Aber weil ich Rechtshänder bin, ist mir die linke Seite etwas sympathischer. Sie lässt mir mehr Optionen, ich kann mit rechts dribbeln, bei Bedarf nach außen passen, mich über die linke Schulter nach innen drehen und habe dann eine gute Wurfposition. Gegen einen langsamen Spieler finde ich die andere Seite besser. Zu Beginn haben wir eine statische Situation: Der Gegner steht hinter mir und versucht, mich vom Korb wegzudrücken, ich halte dagegen. Ich spüre den heftigen Körperkontakt und drehe mich mit einem raschen Spin über die linke Hüfte zur Grundlinie hin. Ein, zwei schnelle Dribblings und ich habe einen einfachen Korbleger mit der rechten Hand.

Erklären Sie bitte mal jungen Spielern, worauf es beim Post-Up genau ankommt.
Es geht da physisch gut zur Sache, es sind durch zwei große Männer eine Menge Muskeln und Gewicht im Spiel. Also braucht man eine gute Grundstabilität, einen breiten Stand der Beine, die Knie etwas gebeugt, damit liegt der Körperschwerpunkt tiefer. An der Zone sind kleine Markierungen, eine davon ist ein dickerer Balken, das ist ein prima Orientierungspunkt. Ich kann es nun gegen den Verteidiger mit purer Kraft versuchen oder es mit Smartness lösen, ihn mit einer Finte verladen und …

… Sie haben doch den Ball noch gar nicht.
Ach, stimmt. Wichtig ist zunächst der Dialog mit den Außenspielern, ich muss mit dem Arm zeigen, dass und wohin ich den Ball haben will, muss checken, wo der Weg für einen Pass zu mir frei ist. Habe ich den Ball, gucke ich mir an, wie sich der Gegner verhält. Bei einem schwächeren Verteidiger beginne ich langsam zu dribbeln und mit der Hüfte und dem Hintern zu schieben, um unterm Korb mit einem (mit einem WAS? oder ist das Basketball Slang?) zum Abschluss zu kommen.
 

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Schauen Sie sich mal dieses Foto (oben) an. Sie haben den Ball in der Hand, stehen in der Zone, blicken über die Schulter zum Korb. Was passiert als nächstes?
Das war gegen Partisan Belgrad. Hinter mir steht Novica Veličković, den habe ich vermutlich mit einem Dribbling in Richtung Korb geschoben. Er will mit langen Armen meinen Wurf blocken und stellt mir den Weg zur Mitte hin zu. 

Warum lachen Sie?
Ich habe mit ihm zusammen in Bamberg gespielt, er weiß wohl noch, wohin ich mich gern drehen möchte. Er ist ganz nah an mir dran, deshalb kommt jetzt mein Counter-Move, die Bewegung zur anderen Seite. Man sieht sehr schön, wie meine Füße stehen, ich habe ihn mit meinem rechten Bein quasi ausgeschlossen, und wenn ich jetzt das linke Bein mit einem Dribbling zur Grundlinie hinkriege, läuft die Energie seines Drucks ins Leere, ich bin an ihm vorbei und kann sogar einen Korbleger mit der rechten Hand machen.

Wenn man sich Videos von berühmten Post-Up-Spielern anschaut: Die meisten dribbeln zwei Mal und dann folgt eine Aktion.
Ich versuche, möglichst wenig zu dribbeln, sonst birgt es die Gefahr, dass ein Kleiner mit schnellen Händen seinem Center zu Hilfe kommt und mir den Ball klaut. Okay, es gibt Teams, die nur 1-gegen-1-Verteidigung spielen, das macht’s für mich einfacher.

Diese Spielsituation wird speziell trainiert?
Klar. Wir bauen das erstmal ohne Verteidigung auf. Der Trainer gibt die Bewegung genau vor und wir sollen sie kopieren. Etwa: drei sehr lange Schritte zur Mitte, Wurf. Wenn das sitzt, kommt der Konter, der Counter-Move, man sollte schon beide Varianten drauf haben, sonst können die Verteidiger sich leicht darauf einstellen. Man muss das bei neuen Moves oft wiederholen, es kommt auf Kleinigkeiten an. Das ist wie Schattenboxen, alles ohne Gegner. Dann erst lernt man mit Verteidigung, wann welche Bewegung am besten passt.
 

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Sie mussten schon in jungen Jahren extrem fleißig üben, denn Sie waren Fußballer in Neunkirchen am Brand, einer fränkischen Gemeinde…
… und das leidenschaftlich, ein recht guter Techniker im Mittelfeld. Nur bin ich zu groß geworden, sollte in die Innenverteidigung, das hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Dafür war ich zu ballverliebt. Mit 13 Jahren habe ich aufgehört, hing ein halbes Jahr herum, bis mich ein Sportlehrer zwang, im Schulsport beim Basketball mitzumachen. Ich konnte nicht dribbeln, keinen Freiwurf treffen, doch ich war schon über zwei Meter groß und kräftig, das hat fürs Spiel unterm Korb gereicht. Motto: Ich kann zwar nicht werfen, dafür spiele ich extra hart, mit Energie. Ich habe dann sehr, sehr viel trainiert, weil ich technisch den anderen weit hinterher war, bekam Einzeltraining, habe danach für mich alleine geübt. Als 18-Jähriger war ich bei Brose Bamberg im Profikader. Aber niemals hätte ich mir selbst zugetraut, einmal auf so einem Niveau zu spielen wie heute.

Ist es wahr, dass Sie Tabletten gegen das Wachstum genommen haben?
Ja, der Doktor meinte, du wächst noch 15 Zentimeter, und meine Größe war ein ernstes Problem, jeder hat mich angeguckt, ich war ein unsicherer Teenager. Da ich noch nicht Basketball spielte, konnte ich nichts Positives an meiner Länge sehen. 

Sie sind mit 2,05 Meter ein relativ kleiner Center. Denken Sie manchmal, hätte ich doch nur nicht …
Nein, nein. Vielleicht wäre ich nicht so kräftig geworden, hätte Knieprobleme, wer weiß das schon. Ich kann mich im Post jederzeit gegen richtige Brocken behaupten, es schiebt sich leichter von unten nach oben als umgekehrt, und meine Größe hat auch sonst noch Vorteile. Ich bin wendiger und schneller, zum Beispiel in der Transition, beim Umschaltspiel, als die schweren Jungs mit den langen Extremitäten. 

Sie haben, erzählte ein Trainer, den idealen Körper fürs Post-Up, „a wide frame“.
Ich bin eher breit als hoch gebaut, das stimmt, habe keine langen Beine und damit von Natur aus einen tieferen Körperschwerpunkt. Damit wäre ich auch ein ordentlicher Ringer geworden.

Im Sportportal „Spox“ ist zu lesen, in der NBA würden die Teams pro Angriff im Durchschnitt 1,1 Punkte machen. Diesen statistischen Wert hätten in der gesamten US-amerikanischen Profiliga lediglich zwei Spieler mit Würfen aus dem Post-Up erreicht, alle anderen lagen darunter. Diese Art des Spiels gilt inzwischen als weniger effizient.
In Europa wird schon noch mehr aufgepostet als in der NBA, aber deutlich weniger als noch vor ein paar Jahren. Ganz aussterben wird das Post-Up-Spiel trotzdem nicht.