Der vierte SPORT-VERNETZT-Summit des Sommers steht an: Nach den erfolgreichen Netzwerktreffen in Hagen, Lüneburg und Bamberg kommen nun in Mainz die Partnerorganisationen aus der Region Südwest zusammen. Gastgeberin ist die Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, die beim Summit mit einem Kick-Off-Event offiziell in den Kreis der bundesweiten Bewegungsinitiative aufgenommen wird. Vorab im Gespräch: Tim Bindel, der als Professor für Sportpädagogik und Sportdidaktik an der Universität Mainz lehrt und zusammen mit seiner Mitarbeiterin Laura Trautmann sowie den Studierenden SPORT VERNETZT unterstützt.

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ALBAs Vizepräsident Henning Harnisch und Prof. Tim Bindel im Gespräch bei DLF Kultur


Herr Prof. Bindel, welche Rolle spielte der Sport in Ihrer Kindheit?

Sport hat mich immer schon interessiert, ohne dass ich je Profi war oder nach der Schule direkt ein Sportstudium anfangen wollte. Eigentlich habe ich Elektrotechnik studiert, das war mir aber zu einseitig. Auf der Suche nach einem Zweitfach erinnerte ich mich, dass mir Sport als Kind immer viel Spaß gemacht hat. Ich probierte Leichtathletik und Langstreckenschwimmen aus, spielte Squash und Hockey – aber alles immer aus Spaß. Also habe ich Sport studiert und erhielt anschließend eine Promotionsstelle in Wuppertal. Der Kinder- und Jugendsport und seine unterschiedlichen Macharten sind zu meinem Thema geworden: selbstorganisiert, im Schulsport, im Sportverein, in Familien. Wie verändert sich das? Wie wird aus Spielen Sporttreiben, wie bleibt Sporttreiben Spielen?

Wie kam nun die Verbindung zu ALBA BERLIN zustande?

ALBA und Henning Harnisch haben ein ganz offenes Interesse an Wissenschaft, wie ich es so noch nicht kennengelernt habe. Ich spüre zum ersten Mal, dass da ein Verein ist, der fast wissenschaftlich eine Metaperspektive einnehmen möchte und von außen auf den Sport gucken kann. Das ist für mich etwas Neues und Besonderes – dass man nicht so tief versunken ist als Spitzensportler und alles toll findet, was da passiert, sondern dass man diese Kultur eben nur als eine Möglichkeit sieht.
 

Mittlerweile sind SPORT VERNETZT, Sport digital und die ALBAthek Teil des Lehrplans an der Universität Mainz. Wie sieht das in der Praxis aus?

Die Themen haben sich sehr gut in unsere Angebote eingefügt. Unsere Doktorandin Britta Helmvoigt organisiert im Rahmen unserer Digital-Manufaktur ein Seminar zur Digitalisierung in der Lehrerbildung. Die Studierenden haben die Möglichkeit, an der ALBAthek mitzuarbeiten. Zusätzlich suchen und analysieren unsere angehenden Sportlehrkräfte im Master of Education Sozialräume in Rheinland-Pfalz, die wir für SPORT VERNETZT öffnen möchten.

Welche Sozialräume sind das? Mainz und Rheinland-Pfalz gelten landläufig als relativ wohlhabende Gegenden. Warum ist die Netzwerkarbeit auch hier wichtig?

Es gibt auch in Mainz Sozialräume, die interessant sind. So arbeitet der SC Lerchenberg als Verein in einem solchen Sozialraum, mit hoher Migration, hoher Arbeitslosenquote, mit zu wenigen Angeboten. Neben Mainz haben wir uns noch Ludwigshafen und Worms ausgesucht. In Rheinland-Pfalz liegen die mit am höchst verschuldeten Kommunen Deutschlands – vor allem im ländlichen Bereich. Dort war der Verein traditionell ein sehr starker Player im Kinder- und Jugendsport. Aktuell droht das in manchen Sportarten wegzubrechen. Durch das große Freizeitangebot passiver Art, das mittlerweile im Medienbereich geboten wird, ist es schwierig für die Vereine, mit dem seit 30 Jahren gleichgebliebenen Angebot Kinder und Jugendliche zu binden. 

Sie reisen mit Ihren Studierenden nach Worms und Ludwigshafen. Wie gehen Sie wissenschaftlich dort vor?

Wir wenden Methoden der Sozialraumanalyse an. Wir machen mit Kindern eine Stadtteilbegehung, arbeiten fotografisch und nutzen Sozialraumanalysedaten der Städte. Neben wissenschaftlichen Methoden haben wir uns dann aber schnell durch ALBA die praktische Seite angeeignet. Henning Harnisch hat im Seminar von seinen Erfahrungen der realen Vernetzungsarbeit berichtet. So kamen Wissenschaft und Praxis zusammen.

Erhoffen Sie sich durch Ihre wissenschaftliche Arbeit Anregungen auch für andere Standorte?

Auf jeden Fall. Wir wollen natürlich Forschungsergebnisse liefern. Wie gelingt Netzwerkarbeit? Welche verschiedene Strategien kann es geben, solche Netzwerke zu erzeugen? Und noch spannender ist für mich die Frage: Was passiert nach der Kindheit? Was müssen die Vereine tun, um diese Vernetzungsarbeit in der Jugend weiter zu leisten? Da ist extrem viel Entwicklungsarbeit in den Vereinen notwendig.

Welche Rolle können digitale Angebote spielen?

Die ALBAthek bietet Content für Lehrkräfte und Fachkräfte im Sport – ob im Kindergarten, im Verein oder in der Schule. Da müssen wir natürlich differenzieren. Eine Stunde im Verein ist etwas anderes als im Schulsport. Wie wird aus den Angeboten ein Bildungsangebot? Was leistet eigentlich der Mensch in einem solchen Unterricht? Je mehr gutes Material es gibt, desto wichtiger wird das individuelle Lehren, die Beziehung zwischen Lehrkraft und Schulkindern.

Hier kommt den Universitäten bei der Ausbildung sicher eine wichtige Aufgabe zu. Welche Projekte würden Sie in Zukunft noch gerne mit ALBA angehen?

Ich träume von einer Art Akademie, an der man für den außerunterrichtlichen Bereich sportpädagogisch ausgebildet wird. Wo all diejenigen, die in Vereinen, im Ganztagsbereich arbeiten, und auch von SPORT VERNETZT und der ALBAthek angesprochen werden, eine zielgerichtete, coole und innovative Ausbildung bekommen. Da wäre eine Universität wie unsere ein guter Partner, um so etwas zu organisieren. Dann habe ich Lust, das Thema noch stärker in den wissenschaftlichen Bereich hineinzuziehen und mit dem Verein in das Thema Jugendsport einzusteigen. Mit Laura Trautmann haben wir eine Mitarbeiterin, die SPORT VERNETZT vorantreiben wird. Ich freue mich darauf, weitere Projekte anzustoßen.


>>> SPORT VERNETZT nachgefragt 1: Michael Wasielewski (Phoenix Hagen)
>>> SPORT VERNETZT nachgefragt 2: Jessica Süßenbach (Leuphana-Universität Lüneburg)
>>> SPORT VERNETZT nachgefragt 3: Matthias Gensner und Jan Ammensdörfer (iSo Bamberg)