Zwei Neuzugänge, zwei Defensivspezialist*innen: Mit Center Ben Lammers spielt der beste Shotblocker der vergangenen ACB-Saison nun für das Team von Coach Aito. Mit Fee Zimmermann erhalten die ALBA-Frauen derweil eine bissige Verteidigerin auf der Point-Guard-Position. Wir haben mit beiden über das Verteidigen, ihre unterschiedlichen Rollen und eingeschüchterte Gegenspieler*innen gesprochen.

Text: Louis Richter, Fotos: Jan Buchholz und Philipp Sommer

Dieses Feature ist Teil unseres Jahrbuchs 2020/2021 (hier im Shop erhältlich). Es ist eines von sechs Skills-Features. In den weiteren Artikeln dieser Reihe werden das Rebounding (mit Luke Sikma)das Post-Up-Spiel (mit Johannes Thiemann), das Passen (mit Lena Gohlisch), das Werfen (mit Marcus Eriksson) und das Dribbeln (mit Maodo Lô) behandelt. Die Features werden nach und nach auf unserer Website veröffentlicht.

Fee, auf die Frage, ob Du bei diesem Interview mitmachen möchtest, hast Du sofort geantwortet: „Klar! Ich liebe es ja, zu verteidigen!“

Zimmermann: Ich mag es einfach, meine Gegenspielerin an einen Punkt zu bringen, wo sie quasi aufgibt und zusammenbricht. Das ist in jedem Spiel mein Ziel. Jeder Coach hat vermutlich schon den Slogan „Offense wins games, defense wins championships“ benutzt. Daran habe ich immer geglaubt. Auch, weil es für mich funktioniert hat: In Luxemburg habe ich die Meisterschaft gewonnen. Unser Team war spielerisch nicht das beste, aber wir haben in der Defense alles gegeben und 40 Minuten lang Druck auf unsere Gegnerinnen gemacht. 

Lammers: Am meisten mag ich am Verteidigen, dass man das Spiel mit guter Defense auch dann beeinflussen kann, wenn man offensiv einen schlechten Tag hat. Wenn ich zehnmal nicht treffe, kann ich immer noch zehnmal meinen Gegenspieler stoppen.
 

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Ist es leichter, in der Defensive ein konstant gutes Level zu halten?

Lammers: Das ist zumindest bei mir so. Wenn ich gegen die besten Center Europas spiele, erzielen die natürlich ihre Punkte. Es geht aber nicht primär darum, den Gegner komplett vom Punkten abzuhalten. Es kann genauso ein Ziel sein, dass der Gegner für seine zehn erzielten Punkte zwanzig Würfe nehmen muss, statt nur zehn oder elf. 

Zimmermann: Für mich kommt es auch auf die taktischen Ausrichtungen an. Wenn man während des Spiels überlegen muss, wie man gegen welche Spielerin verteidigen soll, kann es schnell passieren, dass man mit dem Kopf nicht komplett bei der Sache ist. Umso wichtiger ist es, sich vor dem Spiel intensiv mit den Gegenspielerinnen auseinanderzusetzen. Ich muss wissen: Welche ist ihre starke Hand? Von wo aus wirft sie gerne? Über welche Seite zieht sie am liebsten zum Korb? Das erfahre ich aus den sogenannten Scoring Reports, die uns unsere Coaches zur Verfügung stellen. Ich denke, dass man aus der Defense viel Energie ziehen und sich mit einigen guten Aktionen wiederum das Selbstvertrauen für die Offensive holen kann. 

Ihr nehmt in der Defense grundlegend verschiedene Rollen ein. Könnt Ihr die erklären?

Zimmermann: Als kleine Spielerin ist es mein Job, den Point Guard des anderen Teams frühzeitig aufzunehmen und über die gesamte Fläche des Spielfeldes unter Druck zu setzen. Außerdem rede ich sehr viel. Wenn wir gegen ein gegnerisches Pick-and-Roll verteidigen, muss ich mich mit der zweiten Verteidigerin absprechen: Wie verteidigen wir? Gewähre ich meiner Gegenspielerin kurzzeitig etwas Platz oder gehe ich aggressiv auf sie zu? Da ist gute Kommunikation gefragt. 

Lammers: Ich bin der Anker der Defense und bilde die letzte Verteidigungslinie am Korb. Ich versuche, meinen Mitspielern durch mein Shotblocking Sicherheit zu geben. Sodass unsere Guards mal versuchen können, einen Ball zu klauen, ohne Angst haben zu müssen, dass niemand mehr zur Absicherung hinter ihnen steht. 

Wie ist es denn, mit Maodo Lo und Peyton Siva als Point Guards zu verteidigen?

Lammers: Beide haben sehr schnelle Hände und sind gute Verteidiger, auch wenn sie nicht allzu groß sind. Bereits letztes Jahr in Bilbao habe ich mit einem kleineren Point Guard gespielt, gegen den die Gegenspieler oft ins Post-up gegangen sind. Ich denke, auch dieses Jahr werde ich in solchen Situationen aushelfen müssen (lacht). Vor allem in der Pick-and-Roll-Verteidigung sind Maodo und Peyton sehr gut. Hier in Berlin „hedgen“ wir dabei sehr viel, sprich: Als großer Spieler gehe ich kurz aggressiv auf den ballführenden Spieler zu, um ihn abzudrängen, und sprinte dann zurück zu meinem Gegenspieler.
 

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Ben, Du warst im vergangenen Jahr mit 1,9 Blocks pro Spiel der beste Shotblocker der spanischen ACB – vor Real Madrids 2,21-Meter-Center Walter Tavares, der auf 1,7 abgewehrte Würfe pro Partie kam. Was macht einen guten Shotblocker aus? 

Lammers: Natürlich hilft eine gewisse Körpergröße, aber sie ist nicht alles. Ich konnte das immer schon irgendwie ganz gut. Ich kann es gar nicht genau erklären. Es geht ums Timing und darum, ein Gespür zu entwickeln. Ich blocke nicht nur Würfe aus direkten Eins-gegen-Eins-Situationen. Oft schleiche ich mich um einen Gegenspieler herum und blocke ihn von hinten. Dafür muss ich die Laufwege des Spielers antizipieren können. Das lernt man, je mehr man spielt und je besser man sich vor den Partien mit den Gegenspielern beschäftigt.

Einige Deiner Teamkollegen schwärmen davon, dass Du enorm reaktionsschnell seien und Dich beim Springen überdurchschnittlich schnell vom Boden wegdrücken könntest.

Lammers: Das ist eine glückliche Fügung – und hat vor allem mit meinem Laufstil zu tun. Ich verlagere schon immer sehr viel Gewicht auf meine Zehen. Das trainiert wiederum auf natürliche Art und Weise meine Wadenmuskulatur. Die erlaubt es mir, mich schnell vom Boden abzurücken und rasch an Höhe zu gewinnen.

Ist das Verteidigen mehr Willenssache oder mehr Können?

Zimmermann: Es geht mit dem Willen los. Man muss viel rennen, das Verteidigen ist körperlich sehr, sehr intensiv. Aber natürlich geht es auch um Skills: Gerade für mich als kleine Spielerin ist die Fußarbeit extrem wichtig, um vor meiner Gegenspielerin zu bleiben und mich schnellstmöglich durch gegnerische Pick-and-Roll-Situationen kämpfen zu können. 

Wie lässt sich das Shotblocking eigentlich trainieren, Ben? 

Lammers: Wirklich große Fortschritte macht man vor allem, wenn man viel spielt und die Erfahrungen in echten Spielsituationen sammelt.

Fee, hast Du dir nach dem Training schon mal eine Mitspielerin geschnappt, um gegen sie zu verteidigen? 

Zimmermann: Nein. Aber: Es gibt auf jeden Fall Übungen, die man alleine machen kann. Ich stelle mir beispielsweise gerne Hütchen in einem Zickzack auf und bewege mich in den Defense-Slides von einem zum anderen. Dabei gehe ich in die Knie, halte den Oberkörper aufrecht und bewege meine Beine vertikal mit großen Schritten. Das lässt sich auch im Verbund mit Sprints gut trainieren. So verbessert man seine grundlegende Fußarbeit, die bei sogenannten Close-outs sehr wichtig ist. Die kommen zur Anwendung, wenn die gegnerische Mannschaft den Ball bewegt und ich eine andere Gegenspielerin übernehmen muss. Dann renne ich auf sie zu, stoppe kurz vor ihr mit mehreren kurzen Tippelschritten ab und begebe mich in meine defensive Position, um sie vom Zug zum Korb abzuhalten. Am meisten Sinn macht das Defense-Training aber generell immer, wenn ich mit einer Angreiferin trainiere, die meine Verteidigung wirklich testet.

Ben, konntest Du in Spanien mit der Zeit feststellen, dass die gegnerischen Spieler Dich auf Grund Deiner Shotblocking-Qualitäten anders wahrnehmen?

Lammers: Nach einer Weile habe ich schon gemerkt, dass die Guards immer öfter an der Freiwurflinie stoppen und werfen und nicht jedes Mal bis zum Korb ziehen. Ich spüre aber, wenn ein Guard wirklich zum Korb will oder das nur antäuscht. Das kann man lesen lernen. Oft mache ich einen kurzen Schritt auf den Guard zu, um ihm zu signalisieren, dass ich da bin. Das reicht manchmal aus, um ihn aus der Zone zu vertreiben.

Ist das eines der größten Komplimente, das ein Gegenspieler machen kann?

Lammers: Auf jeden Fall! Es ist ein cooles Gefühl, zu wissen, dass man das Spiel beeinflussen kann, ohne wirklich viel zu tun. 

Erlebst Du das ähnlich, Fee?

Zimmermann: Ja! Ab und an passt die Gegenspielerin den Ball beim Ballvortrag schon früh weg, weil sie müde ist oder Angst davor hat, den Ball zu verlieren. So kann man jemand aus der Partie nehmen, mental. Denn wenn sie in der Offense aufgibt, habe ich gewonnen.
 

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